Tel.-Kontakt: 08742-9645519 | mail@heike-arnold.de

Menü

Autorentätigkeit

Meine Publikationen

 

Das Webworker Handbuch

Wie man mehr vom Leben mit der Arbeit hat

Im Webworker Handbuch beschreibt die bekannte Webworkerin Heike Arnold, was man wirklich braucht, um erfolgreich im Netz zu arbeiten. Das lang erwartete Grundlagenwerk für die wichtigste Berufsgruppe der Zukunft, die Wissensarbeiter.

Mit einem Vorwort von Franz Bsirske

Umschlagtext hinten:

Heike Arnold ist seit 1988 selbstständige Unternehmerin. 1996 gründete sie eine der ersten virtuell organisierten Dienstleistungsunternehmen und wurde dafür mehrfach ausgezeichnet, u. a. mit dem Office-21-Award sowie dem e-business-award.

Über Heike Arnold und ihre Firma The Webworker Group berichteten zuletzt u. a. Der Spiegel, Die Zeit, Allegra, WISO (ZDF), SWR 1, ARD, Wirtschaftswoche, brand eins sowie impulse

 

ISBN: 3-421-05561-0
Deutsche Verlagsanstalt Stuttgart München (DVA), 2001

Gebraucht kaufen bei: Amazon | Medimops

Inhaltsverzeichnis

Die neue Selbstständigkeit im Netz
Vorwort von Frank Bsirske

Wie man mehr vom Leben mit der Arbeit hat
Einführung der Autorin

Was Ihnen dieses Buch bietet

KAPITEL EINS

Working@Home

Abschiednehmen vom Wohlfahrtsstaat

Der Mensch braucht Nähe und Heimat. Was wird aus der Gesellschaft, wenn sie von Fernbeziehungen und Mobilitätszwang bestimmt wird?

Zurück in die Zukunft: Telearbeit - Konjunkturverlauf eines Phänomens und Hoffnungsträgers
von Beate Schulz

KAPITEL ZWEI

Netzwirtschaft in der Praxis

Zur Einführung in die Welt der Webworker - häufig gestellte Fragen und Antworten

Webworker arbeiten mitten im Leben - und schaffen sich doch ihre eigene Welt

Was treibt uns in die Netzwirtschaft?

Problemfeld Organisation und Koordination

Problemfeld Vertrauen versus Verträge

Problemfeld Kommunikation: Vom Umgang mit großen und kleinen Worten

Optimierung der E-Kommunikation - Wunderwaffe Technik?

KAPITEL DREI

Die Einrichtung des Webworker-Office

Danksagung

Anhang

Glossar
Literaturverzeichnis
Linksammlung zu Informationsquellen und Software-Anbietern im Internet
Anmerkungen

Die neue Selbstständigkeit im Netz - Vorwort von Frank Bsirske, Vorsitzender der Dienstleistungsgewerkschaft ver.di

Durch alle Medien ging, vor etwa zwei Jahren, die Geschichte von der schönen, neuen Arbeitswelt, die in Vorstadtgaragen wächst und gedeiht, wo junge Outlaws sich mit PCs bewaffnet anschicken, unkonventionell und frisch die Gesetze des Ökonomie auf den Kopf zu stellen. Der Neue Markt verzeichnete explodierende Kurse - auch Laien konnten mal eben eine schnelle Mark machen und so fast an einer Art neuem Wirtschaftswunder teilhaben. Im gleichen Zuge verloren die Gewerkschaften verstärkt an Popularität, galten als Sinnbild einer gänzlich veralteten dinosauriermäßigen, spaßfreien, den längst vergessenen Klassenkampf propagierenden Zeitrechnung, die den Anschluss an das wirkliche Leben verpasst hat.

Diese Zeit der heftigen Polarisierung ist vorbei, die zugespitzte Dichotomie von alter und neuer Wirtschaft wird immer angreifbarer - und damit hat sich auch das Verhältnis der Beschäftigten im Bereich der "New Economy" zu den Gewerkschaften verändert, unabhängig davon, ob sie selbstständig oder abhängig beschäftigt arbeiten. Nicht erst seit der Gründung der Vereinten Dienstleistungsgewerkschaft (ver.di) im März 2001 hat eine Annäherung der neuen Ökonomie an den Grundgedanken von Mitbestimmung und Solidarität stattgefunden.

Die Gründe für diesen Sinneswandel sind vielfältig: Zum einen haben viele Beschäftigte der neuen Wirtschaftsfelder nach Jahren, in denen sie hart und motiviert für den Erfolg eines jungen Unternehmens gearbeitet haben, festgestellt, dass zwischen verbrieftem und durch einen Betriebsrat vertretenen Mitspracherecht und lockeren, mündlichen Zusagen bezüglich Gehaltsstruktur, Urlaubsanspruch etc. eine gewisse Diskrepanz besteht. Außerdem sind einige Unternehmen so schnell gewachsen, dass die internen Kommunikationsprozesse nicht mehr funktionieren konnten. Zeitgleich stürzten die ersten Kurse in den Aktienkeller und millionenschwere Optionen lösten sich in Nichts auf, zu nichts. Jobs, die zuvor als "Goldgrube" galten, stehen plötzlich auf der Kippe.

Eine parallele Entwicklung lässt sich auf dem Betätigungsfeld der Selbstständigen verzeichnen, die gewissermaßen einen Mikrokosmos der New Economy darstellen. Wohl ist es richtig, dass diese Selbstständigen, die "E-Lancer", einen neuen Typus des "Arbeitnehmers" verkörpern. Sie handeln selbstständig und eigenverantwortlich und werden dafür bezahlt, dass sie Probleme lösen. Sie sind unabhängige Vertragspartner, zeitlich begrenzt und projektbezogen elektronisch vernetzt mit anderen "E-Lancern", um Produkte und Dienstleistungen herzustellen und zu verkaufen. Ist der Job erledigt, löst sich das Netzwerk auf und seine Mitglieder werden wieder unabhängige Agenten und begeben sich auf die Suche nach dem nächsten Projekt.

Flexibilität, Dezentralität, Agilität - das sind die neuen Tugenden in einer Wirtschaft, die auf Wissen und Information basiert. Unternehmen kaufen hoch spezialisiertes Wissen gezielt und nach Bedarf ein, sie halten es nicht vor. Die Wissensgewichtung verschiebt sich zugunsten kleinerer Einheiten; Kleinst- und Einzelunternehmerinnen und -unternehmer übernehmen im selben Zuge immer mehr unternehmerisches Risiko. Die Freiberuflerin, der Freiberufler ist mittlerweile nicht nur ein vollends etablierter Teil unseres Wirtschaftsprozesses, er ist zudem zum notwendig gewordenen Faktor innerhalb der Dienstleistungsgesellschaft geworden.

Liegt also diese schönere, neue Arbeitwelt der Zukunft in der "E-Lance-Ökonomie" auf den Schultern von autonomen Jobnomaden, die in ihrer Arbeit Erfüllung jenseits von hierarchischen Zwängen finden? Und bedeutet diese Entwicklung womöglich zugleich, dass die Gewerkschaften - als ein in absehbarer Zeit zu einem langsamen Tode verurteilter Anachronismus - abgemeldet sind, dass sie diesen Beschäftigten nichts zu bieten haben?

Ich denke, dass dies nicht der Fall ist. Wer einmal den Typ "E-Lancer" genauer unter die Lupe nimmt, wird erstaunt sein: Studien zeigen, dass das Klischee vom Youngster, der direkt nach der Schulbank von seiner Garage aus die Börsenwelt erobert, nur in seltenen Fällen zutrifft. Zwölf Prozent der E-Lancer sind "Teilzeit-Selbstständige". Sie gehen nebenher noch einer abhängigen Erwerbsarbeit nach. Knapp 60 Prozent von ihnen weisen in dieser wissensintensiven Branche einen Hochschul- oder Fachhochschulabschnuss auf. 47 Prozent gingen als Quereinsteiger in die Selbstständigkeit - sie haben sich die notwendigen Kenntnisse zumeist autodidaktisch oder durch praktische Tätigkeiten in einer einschlägigen Firma angeeignet. E-Lancer - das sind nicht ungebundene Workaholics, sondern zumeist Menschen mit Familie im Alter von 30 und 50 Jahren. Da gibt es den heute über 50-jährigen ehemaligen LKW-Fahrer, der seinen Beruf aus gesundheitlichen Gründen aufgeben musste, lange arbeitslos war, bevor er nochmal ganz von vorne anfing und mittlerweile von Los Angeles aus als Softwareentwickler arbeitet. Der ehemalige Öko-Bauer erstellt heute für landwirtschaftliche Kunden in seiner Region Homepages, Studienabbrecher, die sich früher einmal mit der deutschen Literatur oder mit der politischen Theorie des französischen Absolutismus beschäftigt haben, setzen heute IT-Projekte für Banken und Konzerne um.

Was Menschen mit derartigen Patchwork-Biografien verbindet, sind die Motive, die sie dazu gebracht haben: die Suche nach interessanteren Aufgaben, die Möglichkeit, sich die Zeit frei einteilen zu können. Der Wunsch, unabhängig zu sein, als eigener Boss vom eigenen PC aus zu agieren, vereint die "E-Lancer".

Aber auch die Probleme lassen sich auf einen gemeinsamen Nenner bringen: Es gibt ebenso wenig geschützte Berufsbezeichnungen wie zertifizierte Ausbildungsgänge, die an einen festgelegten Lohn gebunden wären. So kommt es dazu, dass Firmen oft lieber Studenten mit 30 DM Stundenlohn vergüten, als einem hoch qualifizierten Web-Designer den Zuschlag für ein Projekt zu erteilen. Außerdem stellt sich mehr und mehr heraus, dass sich Abhängigkeiten vom Arbeitgeber hin zum Kunden verlagern. Das sind Eintrübungen des so gerne so überschwänglich schön gezeichneten Bildes der neuen Selbstständigkeit. Aus ihnen entsteht zugleich ein weites Feld der Möglichkeiten für Hilfestellung durch Gewerkschaften.

Dabei geht es nicht darum, den Beschäftigten in der New Economy ein Elend einzureden, das sie selber nicht empfinden. Wir werden dem Webdesigner nicht verbieten, nachts zu arbeiten, er kann auch gerne projektbezogen schon mal zwölf oder 13 Stunden am Stück arbeiten. Dasselbe darf aber nicht von allen Beschäftigten erwartet werden, die anders arbeiten möchten, egal, ob sie abhängig beschäftigt oder selbstständig sind. Eine Gewerkschaft wie ver.di - die nicht nur Gewerkschaft für Dienstleister, sondern auch Dienstleistungsgewerkschaft im Wortsinne ist - muss dann zur Stelle sein, wenn Beschäftigte Hilfe brauchen.

Ver.de muss zunächst einmal fragen, muss suchen, muss die Menschen beteiligen - damit Modelle moderner Arbeit entstehen, die den jeweils besonderen Interessen der Menschen gerecht werden. Ver.di ist kein in sich geschlossener Mikrokosmos, kein abgehobenes Raumschiff, wo die Frage nach der Mitgliedschaft am Anfang jeder Kommunikation steht und Vorbedingung dafür ist.

Stattdessen kann ver.di neue Ansätze in Bezug auf das Verhältnis von individuellen und gemeinsamen Interessen der abhängig Beschäftigen entwickeln. Den unterschiedlichen Lebenslagen, Interessen, Arbeitshaltungen und neuen Arbeitsformen muss ein größerer Stellenwert als bisher eingeräumt werden. Notwendig ist eine differenzierte Arbeitswelt. Dies muss sich sowohl in der berufsfachlichen und branchenbezogenen Interessensvertretung als auch in der betrieblichen Arbeit, in der Tarifpolitik und letztlich in den Arbeitsformen der Gewerkschaft selbst widerspiegeln.

Für viele Beschäftigte in den so genannten neuen Berufen stehen Angelegenheiten wie der Austausch über berufliche Fragen, Beratung über die eigenen Rechte und deren Durchsetzung, Kommunikation mit anderen in ähnlicher Situation, Erhaltung von Kollegialität über die Betriebsgrenzen hinaus, geregelte Weiterbildung, Transparenz von Bezahlungsbedingungen auf dem Markt ("was wird eigentlich für meine Arbeit anderswo gezahlt?") im Vordergrund. Ver.di setzt hier am professionellen Interesse der Erwerbstätigen an. Spontan entstehende Strukturen der selbst organisierten Interessensvertretung können mit gewerkschaftlicher Hilfe stabilisiert werden - selbstverständlich ohne jegliche Bevormundung.

Die IG Medien hat in den letzten Jahren ihren größten Mitgliederzuwachs bei den Journalisten gehabt, und zwar nicht nur bei den erfolgreichen selbständigen. Sie hat einen Beratungsservice für Selbstständige - gleichgültig, ob Mitglied oder nicht - in ver.di eingebracht, wie ihn keine andere Berufsorganisation und kein Arbeitgeberverband bietet.

Bei Anruf Rat: Wie viel verdienen Online-Journalisten? Wann können Übersetzer das Verwertungsrecht für ein Werk zurückholen? Wie melde ich meine Multimedia-Agentur beim Finanzamt an? Fragen dieser Art werden seit zwei Jahren beim "Mediafon" von fachkundigen Beraterinnen und Beratern beantwortet. Das sind Expertinnen und Experten, die ihr Wissen über Sozial- und Urheberrecht, über Existenzgründung und Vertragsgestaltung in der eigenen täglichen Arbeit als Freie gesammelt haben. Bei schwierigen Fragen können sie weitere Fachleute virtuell hinzuziehen. Häufig gestellte Fragen und Antworten stehen auf einer eigens eingerichteten Seite im Internet. Hauptamtliche von ver.di in den Bezirken und Landesbezirken können auf diesen Informationsfluss zugreifen.

Das Projekt Mediafon zeigt deutlich zwei starke gewerkschaftliche Momente in der Telefonberatung und dem Kontakt via Internet: Isoliert arbeitende Kolleginnen und Kollegen können miteinander in Kontakt gebracht werden und sich offen zum Beispiel über Honorarfragen austauschen. Dies geschieht über spezielle Websites und Mailinglisten. Nicht zu unterschätzen ist auch die Indikatorfunktion dieser Kommunikationsplattform: Einzelfälle lassen sich verallgemeinern und können so zu politischem Handeln führen. Einzelne können sich zum Beispiel über Honorarbedigungen austauschen und Mindeststandards verabreden, unterhalb derer sie ihre Leistung nicht verkaufen. Das hat einerseits urgewerkschaftliche Tradition, andererseits liefert es den Stoff, aus dem neue gewerkschaftliche Aktionsformen entstehen.

Und so kann dieses Beispiel ein Modell sein für die Beratung von Software-Spezialisten, Webdesignern, Versicherungsvertretern, Ärzten, Hebammen, Musiklehrerinnen, Steuerberatern und vielen anderen freiberuflich Arbeitenden. All diese Gruppen gehören zum Organisationsbereich von ver.di. Für all diese Menschen kann ver.di zu ihrer Berufsorganisation werden und sich erfolgreich für ihre Belange einsetzen. In ver.di können Individualismus und solidarische Zusammenarbeit eine unschlagbare Sythese eingehen, und es zeigt sich wieder einmal sehr eindrucksvoll, dass Totgesagte wohl doch länger leben.

Franz Bsirske ist als Vorsitzender der Vereinten Dienstleistungsgewerkschaft ver.di zuständig u. a. für Politik und Planung, Verbindungsbüro zu Bundesregierung/Bundestag, Europaangelegenheiten, Umweltpolitik, Kommunikationsmanagement, Controlling, interne Revision, internationale Gewerkschaftskontakte.

Wie man mehr vom Leben mit der Arbeit hat - Einführung der Autorin

Ein einzelner Wissensarbeiter, der seiner Arbeit von zu Hause oder unterwegs aus nachgeht, kommt David gleich, der gegen Goliath kämpft. Durch den Zusammenschluss vieler einzelner Webworker, bei denen Selbstbestimmung, Entscheidungsfreiheit und wirtschaftliche Unabhängigkeit die Triebfedern ihres Unternehmertums bilden, erhält diese Arbeitsform – und damit die wachsende Gruppe der neuen Selbstständigen im Netz – eine neue Bedeutung.

Webworking ist eine moderne, auf Informationstechnologie gestützte Form des selbstständigen und gemeinschaftlichen Wirtschaftens. Dahinter steckt der Gedanke der Genossenschaft, in der sich ursprünglich viele einzelne Selbstständige zusammenfanden, um mit gemeinsamen Betriebsmitteln und dem Teilen von Wissen und Ideen etwas zu schaffen, das ein Einzelner nie zustande gebracht hätte.

Es ist wichtig, Webworking nicht mit Telearbeit gleichzusetzen, die eine Form der abhängigen Beschäftigung darstellt und unter völlig anderen Bedingungen stattfindet.

Das Webworker-Handbuch ist in erster Linie ein Buch für die Praxis der neuen Selbstständigen im Netz. Mit vielen nützlichen Tipps, Informationen und Anregungen für den beruflichen Alltag.

Webworking kann jedoch nicht als innovative Arbeits- und Unternehmensform beschrieben werden, ohne die Überlegungen zu berücksichtigen, die zum Einstieg in den Ausstieg führen. Es sind die neuen technischen, wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Verhältnisse, die Webworking ermöglichen und verursachen. Nur wenn wir uns mit den neuen Fragen auseinandersetzen, werden wir Antworten für das neue Arbeiten bekommen. Ganz praktische übrigens.

Webworking steht immer in Verbindung mit sozialer Eigenverantwortung, mit der Schaffung eines Gleichgewichts zwischen beruflichem und privatem Alltag, mit den gesamtgesellschaftlichen und arbeitspolitischen Entwicklungen unseres Landes. Und der Besinnung darauf, was einem wirklich wichtig ist im Leben.


So wurde ich Webworker (Auszug)

(...) 1995. Ich nutzte die freie Zeit, die ich wieder hatte, nachdem die Kinder aus den Windeln waren, und holte Versäumtes in Sachen Bildung nach. Während eines zweijährigen Wochenendstudiums sprach ich häufig mit meinen jüngeren Mitstreiterinnen über ihre Zukunftspläne. Fast alle hatten einen guten Job und einen festen Partner. Kinder kriegen wollten die meisten, aber erst später. Mit 30 oder 35. Wenn überhaupt. Die Sorge, mit Kindern im beruflichen Abseits zu stehen, war groß. In dieser Zeit entstand die Idee von einem Unternehmen, in dem Telearbeit - die ich ja kannte - eine wichtige Rolle spielen sollte.
     Im Frühjahr 1996 begann ich, meine Gedanken zu Papier zu bringen. Nachdem ich alles in einen Geschäftsplan gepackt hatte, was mir wichtig schien, ging ich zum regionalen Wirtschaftsförderer. Der war begeistert von dem Konzept und der Idee, via Telematik qualifizierte Arbeiten aus den Städten in die strukturschwache Region Pirmasens zu holen und verwies mich an die Investitions- und Strukturbank (ISB) in Mainz. Die würden dafür bestimmt öffentliche Fördergelder bereitstellen. Mir ging es eigentlich nicht um die Finanzierung des Ganzen. Vielmehr suchte ich Marketingunterstützung, Öffentlichkeitsarbeit, vor allem aber andere Menschen, die mich bei der Umsetzung meines Konzepts unterstützen würden.
     Es sollte das erste und letzte Mal gewesen sein, dass ich Behörden oder staatlich Institutionen um Unterstützung bat. Und es war bisher auch das erste Mal, dass ich als Frau Diskriminierung erfahren habe. Geplant war, dass der Chef der ISB mich selbst empfangen würde, der jedoch in Zeitnot war und mich an einen Mitarbeiter verwies. Dieser hörte sich meine Argumente für die Telearbeit an, hatte Mühe, mir bei den technischen Details zu folgen und meinte dann wortwörtlich: "Ach wissen Sie Frau Arnold, das klingt doch alles sehr nach einem Beschäftigungsprogramm für gelangweilte Hausfrauen. So etwas können wir nicht fördern."
     Am 01. September 1996 eröffnete ich mein Geschäft "TWG Central Office - Teleworking-Services und Problemlösungen". Ein guter Freund, Reinhold Krusse, damals noch Student der Internationalen Betriebswirtschaft, programmierte mir kostenlos die erste Website des virtuellen Unternehmens. Rechner, Büro und einen ISDN-Anschluss hatte ich schon. Kunden und Aufträge nicht. Das Wichtigste war zunächst: Ich hatte meine Idee in die Tat umgesetzt und war wieder selbstständig.
     Es war im Herbst 1997, als ich im Wirtschaftsmagazin impulse die Einladung an Existenzgründer las, sich am Innovationswettbewerb "Office21-Award" zu bewerben. Gesagt, getan - und gesiegt! Ich gewann mit dem TWG-Konzept den ersten Preis und stand plötzlich im Interesse der Medien. Ahnungslos, wie das geht mit Interviews und Kameras. Mit dem Gewinn des "e-business-awards" im gleichen Jahr kam das ZDF raus aufs Land, Redakteure und Fotografen diverser Magazine versuchten, das "virtuelle" zu visualisieren. Telearbeit in der Praxis. Laura, meine Jüngste, wurde zum Model für Bilder und Klischees. die in dieser Zeit üblich waren: Von Müttern an PCs im heimischen Wohn- oder Schlafzimmer mit den Krabbelkindern unterm Schreibtisch. Sehr vertrauenserweckend für mögliche Kunden waren diese Bilder nicht. Ich trug also auch meinen Teil zum Klischee bei.
     Land, Kleinkinder, Telearbeit und Internet: Das wurde zu Recht als zu dick aufgetragen empfunden und brachte keine Akzeptanz des ernst gemeinten und ernst geführten Unternehmens. Im Oktober 1998, mit Gründung der GmbH, trennte ich mich von dem Begriff Teleworking. Aus dem schon eingeführten Kürzel TWG wurde "The Webworker Group". Aus Schmalenberg - im Nirgendwo zwischen Kaiserslautern und Pirmasens, wie DER SPIEGEL damals meinen Wohn- und Firmensitz nannte, wurde Frankfurt am Main. (...)

(...) Dieses Buch habe ich geschrieben, damit Sie es schneller schaffen, ein Profi-Webworker zu werden, Networks und Kooperationen zu gründen und sich eine Arbeitswelt zu gestalten, in der Zeit und Muße zum Leben bleibt. Das Webworker-Handbuch ist ein Grundlagenwerk für Selbstständige im Netz, aber auch für Unternehmer, Personalchefs und Politiker, die den Wandel der Arbeit und der Wirtschaft begrüßen.
     Ich wünsche mir, dass es mit diesem Buch gelingt, Klarheit über die Praxis virtueller Unternehmen und selbstständiger Webworker zu schaffen und es dazu anregt, über ein anderes, besseres Arbeitsleben nachzudenkend. (...)

Was Ihnen dieses Buch bietet

Ich versuche in diesem Buch, Ihre Wahrnehmung für bestimmte Entwicklungen zu schärfen, Ihnen Dinge vor Augen zu führen, die passieren können, und Ihnen praktische Arbeitshilfen zu geben, die ich aus meinen Erfahrungen entwickelt habe und selbst immer wieder anwende.
     Aber es reicht nicht aus, ein Praxis-Handbuch mit Ratschlägen zum erfolgreichen Webworking auf den Markt zu bringen, um eine ernsthafte Auseinandersetzung über die Potenziale der vernetzten Wirtschaft anzustoßen. Deshalb beschreibt dieses Buch zunächst in KAPITEL EINS die Gesamtumstände, die zum Einstieg in den Ausstieg führen, und die Voraussetzungen, die gegeben sein müssen, damit das Arbeiten mitten im Leben gelingen kann.
     In KAPITEL ZWEI werden die wesentlichen Problemfelder des vernetzten Wirtschaftens auf der Grundlage von praktischen Erfahrungen beleuchtet, beispielsweise die speziellen Anforderungen an Organisation, Koordination und Kommunikation in virtuellen Unternehmensgemeinschaften im Hinblick auf soziale, fachliche und kommunikative Kompetenzen der Menschen in einem Netzwerk. Aus dem Wissen um die Ursachen der Probleme in E-Kooperationen lassen sich individuelle Maßnahmen zur Korrektur und Vorbeugung für Ihr eigenes Unternehmen ableiten.
     In KAPITEL DREI geht es um die Einrichtung eines Webworker-Office bzw. einer Webworker-Werkstatt mit Blick auf die technologischen Voraussetzungen. Hier wird noch einmal auf die umfassenden Informationstechnik-(IT-)Kompetenzen aufmerksam gemacht, die ein selbstständiger Unternehmer im Netz in deutlich höherem und anderem Maße braucht als ein abhängig beschäftigter Telearbeiter, dem zur Einrichtung eines dezentralen Arbeitsplatzes und im laufenden Betrieb meist eine qualifizierte EDV- bzw. IT-Unterstützung aus dem Unternehmen geboten wird.
     Falls Ihnen beim Lesen unbekannte Begriffe unterkommen, können Sie diese im Glossar nachschlagen. Im Anhang finden Sie auch eine Linkliste zu den erwähnten Computerprogrammen.

Das Handbuch für Webworker hat seine Hauptaufgabe erfüllt, wenn es ihm gelingt, die Akzeptanz für eine neue Form der selbstständigen Erwerbsarbeit zu erhöhen, die ihren einzigartigen Charakter durch die flexible Verbindung privater Interessen mit dem intensiven Einsatz innovativer Technologie erhält.

KAPITEL EINS

Working@Home

Kaum ein abhängig Beschäftigter kann sich dem erkennbar zunehmenden Mobilitätszwang entziehen, will er einen guten Job haben. Das Resultat: Jedes achte Paar lebt auch beruflichen Gründen getrennt. Sehr viele Menschen leiden unter ihrer unvermeidbaren Fernbeziehung. Zur Last des mitunter stundenlangen Reisens zum gemeinsamen Wohnort gesellen sich Stressfaktoren am Arbeitsplatz. Sei des die berufliche Anforderung selbst, sei es Mobbing unter den Kollegen oder die geforderte dauernde Erreichbarkeit. Unter solchen Bedingungen drohen Menschen in eine Depression zu fallen. Den meisten deutschen Arbeitgebern scheinen jedoch die Kümmernisse ihrer Mitarbeiter nicht bekannt zu sein. Sie fordern immer höhere Flexibilität und Mobilität, ohne selbst von starren Organisationsstrukturen abzuweichen.

Der Beitrag "Der Mensch braucht Nähe" fasst zusammen, was es mit der Entwicklung der Mobilität hin zum Nomadentum auf sich hat und wohin sie möglicherweise führen wird. Er zeigt auch einige positive Beispiele aus Unternehmen, die zum Wohle ihrer Mitarbeiter flexibles Arbeiten ermöglichen. Zwei junge Frauen aus dem Steuerberaterbüro Bürkle in Esslingen erzählen ihre Telearbeitsgeschichten, aus denen sich - neben der Freude, einen so guten Chef zu haben - dennoch erkennen lässt, dass sowohl in den Köpfen von Mitarbeitern als auch denen von Arbeitgebern noch einiges geschehen muss, bis das Working@Home und das damit verbundene Telemanagement für abhängig Beschäftigte und Führungskräfte zur Normalität wird.

Die Zukunftsforscherin Beate Schulz, die als Projektleiterin bei der Unternehmensberatung "Z_punkt Büro für Zukunftsgestaltung" wirkt, schließt mit ihrem Gastbeitrag "Telearbeit - Konjunkturverlauf eines Phänomens und Hoffnungsträgers". Ein endgültig abgeschlossenes Kapitel? Nein, es geht weiter. Und wir sind schon mittendrin, sagt sie: In der Ära "E-Work". Neuer Name, neues Glück? Wir dürfen gespannt sein!

ABSCHIEDNEHMEN VOM WOHLFAHRTSSTAAT

Mit vielem von dem, was wir uns angewöhnt haben, für selbstverständlich zu halten:- Sicherheiten wie freier Berufswahl, lebenslanger Beschäftigung, regelmäßig steigendem Einkommen bei gleichzeitig zunehmender Freizeit, der klaren Trennung zwischen Berufs- und Privatleben, dem materiell abgesicherten Ruhestand, ist es erst einmal vorbei. Auch wenn viele das noch nicht so sehen oder wahr haben wollen.
     Das Verschwinden liebt gewonnener Wohlfahrtsstandards und die zunehmend seitens der Politik von allen Erwerbstätigen geforderte Flexibilität und Mobilität rufen Existenzängste und Unsicherheitsgefühle in der Bevölkerung hervor.
     Alles scheint aus dem Gleichgewicht zu geraten. Eine genauere Betrachtung jedoch zeigt, dass das "Gleichgewicht" zwischen Privat- und Berufsleben schon in den vergangenen Jahren nicht mehr gewährleistet war.
     Die gestiegenen Anforderungen hinsichtlich Qualifikation und Engagement im Arbeitsleben wurden durch wachsenden materiellen Wohlstand und ein Plus an Freizeit infolge kürzerer Arbeits- und längerer Urlaubszeiten ausgeglichen. Diese freie Zeit wurde jedoch nicht zum Ausspannen und Regenerieren genutzt, sondern in steigendem Maße in allerlei Aktivitäten und Tätigkeiten außerhalb des Erwerbslebens investiert. Alles, was um uns herum geschah und geschieht, lässt sich mit den Begriffen "höher, schneller, weiter, besser, mehr" in Verbindung bringen. Erreichbarkeit an 365 Tagen. Rund um die Uhr. An jedem Ort.
     Seit geraumer Zeit jedoch ist quer durch alle Alters- und Gesellschaftsschichten eine deutliche Auflehnung gegen diese Entwicklung zu spüren: gegen die Beschleunigung und diese permanente Erreichbarkeit, gegen den Zwang der von uns geforderten Mobilität, gegen das Karrieremachen um jeden Preis, gegen das Ungleichgewicht beruflicher und privater Interessen, gegen den Verzicht auf Familie. Aber auch gegen die Chancenungleichheit in unserer Gesellschaft, die sich - wenn keine umfassenden Reformen in der Beschäftigungs-, Bildungs-, Familien-, Sozial- und Steuerpolitik stattfinden - immer stärker zu Lasen der weniger Priviligierten auswirken wird.
     Das Informationszeitalter mit seinen innovativen Technologien und neuen Berufsbildern lässt es zu, dass wir uns - unabhängig von Alter, Aussehen und sozialer Herkunft - von geografischen und sozialen Abhängigkeiten befreien, körperlich oder familiär bedingte Barrieren überwinden und via Telematik geschäftliche und private Kontakte pflegen.
     Obwohl die digitale Technik in ausreichendem Maße vorhanden und ein internetfähiger Rechner heute in der Anschaffung erschwinglich ist, werden die Potenziale der Neuen Medien für die Schaffung dezentraler Arbeitsplätze kaum genutzt. Hunderttausende Leistungswillige, darunter allein erziehende Mütter, Behinderte und anderweitig Benachteiligte, nehmen das Schicksal der Arbeitslosigkeit oder der Sozialhilfe hin - teilweise schon in der dritten Generation. Dabei könnten gerade jene, deren Mobilität aus verschiedenen Gründen eingeschränkt ist, sich über E-Learning-Programme weiterbilden und in den neu entstehenden digitalen Arbeitsfeldern tätig werden.
     Gewiss unternehmen die Politiker aller Parteien vieles, um der zunehmenden Unzufriedenheit hier und da mit Verbesserungen und Entlastungen zu begegnen und den wirtschaftlichen Aufschwung anzukurbeln. Indes, die Behäbigkeit, mit der eine grundlegende Modernisierung Deutschlands "von oben nach unten" erfolgt, ist kau länger vertretbar. Immer öfter fällt der Blick auf Länder, die sich erfolgreich saniert und ihre Verwaltung neu organisiert haben. Den teils hervorragenden Konzepten Beachtung zu schenken und von Erfolgen in den USA, den Niederlanden oder Frankreich zu schwärmen, reicht jedoch nicht.
   Technologie und neue Arbeitsformen wie Webworking sind selbstverständlich kein Allheilmittel. Doch sie können eine scheinbar unaufhaltsame Entwicklung hin zur verwalteten Gesellschaft stoppen, sogar ins Gegenteil verkehren - hin zu einer Gesellschaft, in der Selbstständigkeit und Eigenverantwortung stärker gelebt werden, ohne dass man dabei unbedingt den negativen Seiten des Kleinunternehmertums ausgeliefert ist.
   Hier kann und muss sich grundlegend Neues tun. Dabei sind Politik und Gewerkschaften gefordert - aber nicht nur. Sie können lediglich nachvollziehen, was in Wirtschaft und Arbeitswelt von den Bürgern getan, gelebt und auch selbstbewusst gefordert wird. Es liegt daher nicht zuletzt an den praxiserfahrenen selbstständigen Kleinstunternehmern im Netz, ihre Motive zum Einstieg in den Ausstieg zur Sprache zu bringen, erfolgreich gelebte Modelle vorzustellen und Erfahrungen mit der digitalen Arbeit weiterzugeben.
    Die Arbeit ins häusliche Umfeld zu verlagern, den Beruf mit dem Familienleben zu verbinden, gewinnt unter anderem für Mütter und Väter mit schulpflichtigen Kindern zunehmend an Bedeutung. Eltern müssen etwa erfahren, dass der plötzliche Ausfall von Unterrichtsstunden - beispielsweise aufgrund der Erkrankung des Lehrers - sie vor kaum zu lösende Probleme stellt. Berufstätige geraten zwangsläufig in ein Dilemma, da sie den Bedürfnissen der Kinder - die nicht zu Schlüsselkindern werden sollen - gerecht werden wollen, aber auch den Ansprüchen ihres Arbeitsgebers genügen und Sorge haben müssen, durch gehäuftes, unfreiwilliges Fehlen ihren Job zu verlieren. In traditionell organisierten Unternehmen werden Mitarbeiter mit Kindern deshalb mitunter zu einer Belastung: Der Chef muss auf eine Arbeitskraft verzichten, die er dringend braucht, kann unter Umständen dem Mitarbeiter nicht den plötzlich benötigten Urlaubstag gewähren, und kinderlose Kollegen reagieren sauer, wenn sie ad hoc als Urlaubsvertretung einspringen müssen. Das verbriefte Recht auf Teilzeitarbeit und Kindergartenplätze für alle kann nicht über die Realität hinwegtäuschen, dass es derzeit weder ein ausreichendes Angebot an flexiblen Arbeitszeitmodellen noch an qualifizierten Kinder- und Jugendbetreuungseinrichtungen gibt.
   An solch simplen, alltäglichen Problemen zeigt sich, dass es der Arbeitswelt von heute an Menschenfreundlichkeit fehlt, weil sie noch immer dem Imperativ der langfristigen Planung der Industriegesellschaft unterliegt. Doch unsere Gesellschaft wandelt sich. Mehr Möglichkeiten, aber auch raschere Veränderungen verlangen eine dementsprechend schnell reagierende, flexible Arbeits- und Wirtschaftswelt.
   Selbstverständlich wird es nach wie vor Branchen geben, die die Informations- und Kommunikationstechnolgie weniger nutzen können, und natürlich wird es nicht so sein, dass in einigen Jahren niemand mehr zur Arbeit geht und alle von jedem Ort der Welt aus ihrem Beruf nachgehen. Auch sind Befürchtungen, unsere Gesellschaft würde daran zerbrechen, dass wir, zunehmend ichbezogen, künftig sowohl privat als auch beruflich nur noch Arrangements auf Zeit eingehen, zu oberflächlich. Vielen Menschen macht die in den letzten Jahren verloren gegangene Sicherheit und Stabilität zu schaffen, was zu Resignation, Frust bis zur totalen Arbeits- oder Beziehungsverweigerung führt. Diese negative Entwicklung gilt es aufzuhalten und dem Leben mit der Arbeit einen neuen Sinn zu geben.
     Webworking ist eine selbtgewählte Form der Lebens- und Arbeitsgestaltung - für viele eine reale Chance, nach einem neuen Takt zu leben. Besser und ausgeglichener.

Der Mensch braucht Nähe und Heimat. Was wird aus der Gesellschaft, wenn sie von Fernbeziehungen und Mobilitätszwang bestimmt wird?

Möglicherweise muss es so sein: Erst wenn Politiker selbst nachhaltig erfahren, was weite Teile des Volkes bewegt, verändert sich tatsächlich etwas in ihrem Bewusstsein. Der Umzug von Bonn nach Berlin und die damit verbundenen Wochenendbeziehungen für Politikerpaare und -familien sind eine solche Erfahrung. So manche Staatsdiener-Ehe hat das Pendeln zwischen Zweitwohnung am Arbeitsplatz Berlin und der gemeinsamen Wohnung in Bonn nicht überlebt.
   Nun stehen die Politiker jedoch mit diesem Problem nicht alleine da. Die Statistik besagt, dass heute bereits jedes achte Paar aus beruflichen Gründen getrennt leben muss und jede zweite dieser ferngesteuerten Beziehungen scheitert. (1) Ein Thema, gesellschaftlich so brisant, dass es ein Buch dazu gibt: In der Ferne so nah, Lust und Last der Fernbeziehung, geschrieben von einem Paar, das es wissen muss. Karin Freymeyer und Manfred Otzelberger sind so genannte Job-Nomaden, die - wenn sie die Lust auf Nähe überfällt - 600 km Distanz überwinden müssen. Überfüllte Züge, verstopfte Straßen, das Leben aus und mit dem Koffer. Spaßfaktor: Null. Spontan mal eben Kuscheln geht nicht, mal eben schnell von Angesicht zu Angesicht miteinander reden geht nicht, und irgendwann kommen diese Fragen immer häufiger: Was bringt das alles? Ich hier, du oder ihr da. Warum können wir nicht zusammen wohnen, nachdem wir uns füreinander entschieden haben? Warum gehst du nicht dahin, wo ich sein muss?
     Sehr lange lässt sich die Sehnsucht nach all dem nicht mit rationalen Argumenten verdrängen. Die Suche nach Lösungen beginnt. Am besten keine Kompromisse mehr. Wer trotz allem guten Willen keine Lösung finden kann, gibt die Beziehung für den Job auf und grämt sich, dass der Partner bzw. die Familie nicht genügend Verständnis dafür aufbrachte.

Muss es in Zeiten der weltumspannenden Vernetzung immer noch so sein, dass der Mensch zur Arbeit geht? Aus dem Dilemma, dass die Arbeit ebenso zum Leben gehört wie eine intakte Beziehung, kommen wir nicht heraus, wenn sich nicht grundlegend und umfassend etwas verändert, das uns ein ausgeglicheneres Leben ermöglicht.

Von der Wertschätzung des Humankapitals in Unternehmen

Das private Wohlergehen von Mitarbeitern steht bei einem großen Teil von Arbeitgebern nicht im Zentrum ihrer Interessen. Ihnen geht es um Wertschöpfung, um wirtschaftlichen Erfolg, um einen möglichst hohen Output jedes einzelnen Gliedes der Kette. Häufig zu Lasten der Menschen, denen man die Produktivität und Emotionalität von Maschinen abverlangt. Persönliche Bedürfnisse des per Lippenbekenntnis so geschätzten und wichtigsten Kapitals eines Unternehmens werden vielfach ignoriert. Wer dem Druck der Anforderungen nicht stand hält, ist eben draußen aus dem Spiel. In Stellenanzeigen, in denen um hoch qualifiziertes Personal geworben wird, steht es zwischen den Zeilen:

Wir wollen Ihre ganze Kraft und erwarten, dass Sie uns rund um die Uhr dort zur Verfügung stehen, wo wir Sie gerade brauchen. Es genügt, wenn Sie ein möbliertes Appartement mieten, das Sie jederzeit wieder aufgeben können. Für Ihre privaten Sorgen und familiären Konstellationen ist in diesem Job kein Platz. Dafür bezahlen wir sie gut, Sie können bei uns Karriere machen. Das ist der Deal. Wenn Sie ihn mit uns machen wollen, sind Sie herzlich willkommen.

Stünde es so da, wäre das eine klare Ansage. Statt dessen wird mit Worten beschönigt. Von hohen Flexibilitäts-, Mobilitäts- und kommunikativen Anforderungen ist die Rede in den Anzeigen. Klar, all das braucht der Mensch, denn es ist wahrlich eine kommunikative Herausforderung, die privaten Beziehungen auf Distanz via Telefon oder E-Mail zu pflegen.
     Aus der Ignoranz vieler Arbeitgeber, dass es neben dem beruflichen Alltag der Mitarbeiter auch noch ein Privatleben geben muss, resultieren verminderte Produktivität, Unzufriedenheit und unerwartete Kündigungen hoch qualifizierter Menschen, die in letzter Konsequenz ihre persönliche Zufriedenheit höher bewerten als die Karriere. Dabei sollte im Grunde längst die Bedeutung der Balance, die ein Mensch braucht, um gute Leistungen zu erbringen, erkannt sein. Dennoch zeichnen sich viele deutsche Unternehmen noch eher durch Unflexibilität aus, mit der sie im Kampf um die Ressource Mensch schlecht abschneiden. Gewinnen werden die Firmen, die selbst so flexibel sind, wie sie es von ihren Mitarbeitern erwarten.
   Dass es sehr gute Beispiele für abhängig Beschäftigte in Unternehmen gibt, die beide Welten - Beruf und Privatleben - berücksichtigen, beweist z. B. der Schweizer Konzern Ciba-Geigy. Dem ist das Wohlgefühl der Mitarbeiter so viel wert, dass gezielt Paaren eine berufliche Zukunft im Unternehmen geboten wird. Die deutsche Höchst AG bewies schon vor einigen Jahren Verständnis für die Bedürfnisse ihrer angeworbenen Mitarbeiter, in dem sie auch für den Partner und die Familie sorgte. (2) Die BMW AG hat mit innovativen Telearbeitsprojekten positive Schlagzeilen gemacht, Väter können bei der Commerzbank AG den Erziehungsurlaub in Anspruch nehmen, ohne dadurch ihre Karriere zu gefährden.
   Solche positiven Beispiele gibt es auch aus kleineren Unternehmen. Peter Bürkle, Inhaber eines Steuer- und Wirtschaftsberatungsbüros in Esslingen, hat seinen "Mädels", wie er die langjährigen Mitarbeiterinnen, inzwischen beide Mütter, liebe- und respektvoll nennt, Telearbeitsplätze eingerichtet. Heike Krug und Martina Weber erzählten mir in einem Gespräch, wie es zu den Aktivitäten ihres Chefs kam, wie es mit der Telearbeit läuft, und warum sie einfach froh sind, in diesem und keinem anderen Unternehmen zu arbeiten. Ich traf die beiden Telearbeiterinnen an einem Donnerstagnachmittag im Büro Bürkle. Beide Frauen hatten eigens eine Kinderbetreuung organisiert und kamen außerhalb der Arbeitszeit. Der Chef hatte sie darum gebeten, mir ihre persönlichen Geschichten zu erzählen.
   Dass es bei Peter Bürkle die Möglichkeit gibt, zu Hause zu arbeiten, hat zwei Gründe. Zum einen geht es in dem alten, wunderschönen Gebäude in der Esslinger Innenstadt ein wenig eng zu. Die Auslagerung von Arbeitsplätzen ist die einzige Möglichkeit, die Verlagerung des Büros in ein größeres, aber sicher nicht so charmantes Ambiente, zu verhindern.
     Als Heike Krug und Martina Weber schwanger werden und erklären, dass sie auch weiterhin ohne große Unterbrechung für Peter Bürkle arbeiten wollen, wird die Einrichtung von Telearbeitsplätzen für alle Beteiligten zum Mittel der Wahl, wobei es Peter Bürkle in erster Linie darum geht, seine qualifizierten Mitarbeiterinnen nicht in die Entscheidung entweder Beruf oder Familie zu drängen.
   Heike Krug ist 28 Jahre alt, verheiratet und Mutter zweier Kinder im Alter von dreieinhalb und eineinhalb Jahren. Insgesamt acht Jahre arbeitete sie als Steuerfachangestellte in Vollzeit bei Peter Bürkle. Seit 1997 ist sie Telearbeiterin und geht nur noch einmal in der Woche für ein paar Stunden ins Büro. Den Zeitrahmen für die Arbeit, die sie zuhause erledigt, beziffert sie mit sechs bis zehn Stunden in der Woche. Mehr ist mit den beiden Kleinkindern, von denen nur das Ältere bereits in den Kindergarten geht, nicht drin.
   Für sie standen bei der Entscheidung für Telearbeit persönliche Motive im Vordergrund. Da sie eine Fahrtzeit von ca. 40 Minuten zum Büro hat, würde sich das tägliche Pendeln für eine Teilzeittätigkeit nicht lohnen. Heike Krug erzählt, dass es ihr sehr wichtig ist, nicht völlig aus dem Arbeitsprozess herauszukommen. Bei den ständigen Neuerungen, die sich in ihrem Berufsfeld ergeben, hat sie Sorge, sehr schnell in ein enormes Bildungsdefizit zu geraten. Ihrer Erfahrung nach ist ein Wiedereinstieg selbst nach relativ kurzer Zeit sehr schwer. Deshalb hat sie auch gleich nach der Geburt ihres ersten Kindes wieder halbtags gearbeitet und versucht, dieses Pensum zu bewältigen. Das sei aber mit zwei Kindern sehr viel schwerer geworden - und da habe sie dem Herrn Bürkle auch zu viel versprochen, wie sie heute weiß.
   Zu ihrer Zeiteinteilung erzählt sie, hauptsächlich in den Abendstunden das Geschäftliche zu erledigen. Dadurch geht zwar der wenigen Freizeit, die sie mit ihrem Mann nach dessen Feierabend verbringen könnte, etwas ab, aber glücklicherweise zeige der Mann Verständnis für ihre Bedürfnisse und unterstütze sie, so gut es geht, bei der sonstigen Arbeit und den Kindern.
   Heike Krug schildert die Schwierigkeiten der Anfangszeit, als einige Kollegen Telearbeit ein wenig als Privileg Einzelner empfanden, und es recht häufig zu Informationslücken bei ihr kam, weil sie nicht mehr vor Ort war. Wenn sie ihre Kollegen im Büro um Unterstützung oder Hilfe bitten musste, weil die Technik noch nicht zufriedenstellend funktionierte, kam es schon dann und wann zu gewiss nicht böse gemeinten Verweigerungen bei den Kollegen. Die Situation war einfach für alle neu und ungewohnt.
   Obwohl sie eigentlich aus finanzieller Sicht nicht gezwungen wäre, etwas zum Familieneinkommen beizutragen, sei es ihr wichtig, eine kleine Unabhängigkeit vom Ehemann zu bewahren, sagt sie, und erklärt das damit, dass sie im Bekanntenkreis doch immer häufiger erlebt, wie Ehen nach vielen Jahren zerbrechen und die Frauen, die ihren Beruf aufgegeben hatten, es danach sehr schwer hätten, sich wieder ein neues Leben fernab von Unterhaltszahlungen aufzubauen.
   Ihre Freude darüber, dass sie mit der Telearbeit für sich und die Familie einen Weg gefunden hat, beides haben zu können, den Beruf, an dem sie hängt, und ihre Lieben daheim, drückt Heike Krug gegen Ende des Gesprächs mit einem strahlenden Lachen (das dem abwesenden Chef gilt!) und der Bemerkung aus: "Ich bin glücklich darüber, dass Herr Bürkle ein so guter Chef ist und mir sein Vertrauen schenkt, obwohl ich momentan gar nicht so viel für ihn tun kann. Aber ich werde ihn nicht enttäuschen und die Versäumnisse in der Arbeit aufholen."

Martina Weber ist 30 Jahre alt, verheiratet und ebenfalls Mutter zweier Kinder von dreieinhalb und eineinhalb Jahren. Sie lebt ganz in der Nähe Esslingens und hat es nicht weit ins Büro. Seit neun Jahren ist sie bei Herrn Bürkle im Sekretariat beschäftigt. Nach der Geburt ihres ersten Sohnes reduzierte sie den Vollzeitjob und ging noch zweieinhalb Tage in der Woche ins Büro. Als das zweite Kind kam, vereinbarte sie, weiterhin einen halben Tag pro Woche im Büro präsent zu sein und zusätzlich zu Hause einen Teil der Arbeiten zu erledigen. In der Vorstellung, wie viel Zeit sie für die Büroarbeit trotz der beiden Kinder aufbringen könne, hatte sie sich ziemlich überschätzt. Die Vor-Ort-Zeit im Büro reichte nicht aus, um die Arbeiten, die sie nicht mit nach Hause nehmen konnte so zu erledigen, dass sie mit den Ergebnissen zufrieden gewesen wäre. Deshalb überlegte sie, ein oder zwei Stunden mehr im Geschäft zu verbringen. Da ihr Mann aber im Schichtdienst arbeitet, hätten sie sich häufig nicht gesehen. Und das hätte zu noch größerem Unverständnis bei ihrem Mann geführt, der es lieber sähe, wenn sie ausschließlich für die Familie da wäre. Aufgrund ihrer eigenen Erfahrungen als Schlüsselkind möchte Martina Weber in jedem Fall vermeiden, dass "die Kinder nach Hause kommen und noch nichts Ordentliches auf dem Tisch steht." Nun hätten sie einen Kompromiss gefunden, der so aussieht, dass sie ihre Arbeit in den Abendstunden verlegt, wenn die Kinder im Bett sind und es auch wirklich nur - man spürt das ungute Gefühl Peter Bürkle gegenüber - ganz wenig sei, was sie an Zeit für ihren Job zu Hause aufwende.
   Auf ihre Tätigkeiten als Sekretärin angesprochen, schildert Martina Weber, dass es natürlich sehr viele Arbeiten gäbe, die sie zwingend vor Ort erledigen müsse. Allerdings sei es jetzt, nachdem ein passendes digitales Diktiersystem gefunden sei, auch möglich, den Schriftverkehr zu weiten Teilen in Telearbeit zu erledigen. Für sie sei aber klar, dass sie auf jeden Fall den persönlichen Kontakt mit ihren Kollegen braucht, um sich nicht isoliert von den Geschehnissen zu fühlen, die zwischendurch ablaufen. Zwar möchte sie das Zeitkonto für die Telearbeit ausdehnen, wenn auch das zweite Kind den Kindergarten besuchen wird, aber Telearbeit als Dauerarbeitsform zu praktizieren, kann sie sich jetzt nicht vorstellen.

Beide Frauen wissen, dass sich die Investitionen ihres Chefs in die Telearbeitsplätze, die sich auf jeweils ca. 8000 DM belaufen, für ihn bislang nicht "gerechnet" haben und dass es wohl auch noch eine Weile dauern wird, bis das so sein wird. Dass Peter Bürkle sich im Hinblick auf die familiären Gegebenheiten flexibel und verständnisvoll zeigt, ist Motivation für beide Frauen, ihren Job so gut wie möglich zu erledigen und es beim Chef auch wieder gutzumachen, dass er ihnen jetzt die notwendige Zeit fürs Privatleben lässt.
   Apropos: Seit einiger Zeit praktiziert auch ein männlicher Kollege aus dem Büro Bürkle ab und zu Telearbeit, obwohl es da nicht um die Kinderbetreuung geht. Die technischen Voraussetzungen unter Einsatz von pcAnywhere (ein Programm, das den Zugriff auf ein internes Netzwerk von außen ermöglicht), lassen es nun zu, und allmählich empfinden es die Mitarbeiter als Gewinn, nicht immer gezwungen zu sein zur Arbeit zu gehen.

Peter Bürkle, der investierende und kluge Schwabe, quittiert das mit den Worten: "Irgendwann zahlt sich alles aus, was man im Leben tut. Um die Loyalität meiner Mitarbeiter brauche ich mir keine Sorgen zu machen. Und alles andere, das kriegen wir schon gemeinsam hin."

Wird es bald mehr solche Denker in deutschen Chefetagen geben, oder wird sich die Zahl der Paare und Familien, die mit Fernbeziehungen leben müssen, weiter erhöhen?

Lustig ist das Nomadenleben nicht

Das ergab eine Anfang 2001 abgeschlossene Studie, die 1998 vom Bundesfamilienministerium und dem Bayerischen Staatsministerium für Arbeit und Sozialordnung unter folgendem Titel in Auftrag gegeben wurde: Berufliche Mobilität und Lebensform - Sind berufliche Mobilitätserfordernisse in Zeiten der Globalisierung noch mit Familien vereinbar?

Prof. Dr. Norbert F. Schneider von der Universität Mainz, der Leiter der Studie, sprach mit dem Magazin Mensch & Büro über 1.100 Interviews*, die er mit Job-Nomaden geführt hatte und fasste die Ergebnisse zusammen. Da es sich bei seinen Aussagen um die schon erkennbaren und zunehmenden Folgen der teils herbeigesehnten und teils erzwungenen Mobilität in der Jetzt-Zeit handelt, hier eine kurze Zusammenfassung der Ergebnisse:

   (...) Einer der Gründe, weshalb sich immer mehr Paare für einen berufsbedingten Fernumzug entscheiden ist der, dass sie nicht mehr planen können, ob und wie lange sie an diesem Arbeitsort bleiben werden. Deshalb unterhalten sie zusammen an einem Ort eine gemeinsame Wohnung, und der Mobile wechselt mit dem Arbeitsort in ein zusätzliches Appartement (...)

   (...) Entscheidend für den Erhalt der Beziehung ist, wie lange die Trennungsphasen sind. Die negativen Auswirkungen der räumlichen Trennung sind abhängig von der Dauer der Abwesenheit. Es macht einen deutlichen Unterschied, ob die Abwesenheitsphase vier oder fünf Tage lang dauert (...)

   (...)Es besteht ein deutliches Missverhältnis zwischen der von den Mitarbeitern geforderten Flexibilität und der in den Unternehmen (...)

   (...) Viele Shuttles und Variomobile sind sozial stark vereinsamt. Unter der Woche befinden sie sich an einem fremden Ort, arbeiten sehr viel und kennen dort im Prinzip kaum jemanden. Wenn diese mobilen Nomaden am Wochenende nach Hause kommen, sind sie völlig erschöpft und wollen ihre Ruhe haben. Statt Freundschaften zu pflegen, ist diese Gruppe fixiert auf die Partner und die Familie. Dagegen will der daheim Lebende in der Regel am Wochenende etwas unternehmen. Es kommt aber auch vor, dass der Mobile in der Zeit zu Hause seinen Hobbys nachgeht und damit wieder nicht greifbar ist (...)

   (...) Das bessere Verhältnis zu ihren Kindern haben im Zweifel die modernen Nomaden, die unter der Woche regelrecht schuften und sich dann am Wochenende ausschließlich um den Nachwuchs kämmern (...)

   (...) Die Gewinner der modernen Arbeitswelt sind die Umzugswilligen und die Nichtmobilen. Kurzfristig ist beim gemeinsamen Umzug zwar eine hohe Umstellung und Belastung zu bewältigen, aber der materielle Status und der Prestigegewinn durch den Jobwechsel kompensieren das rasch. Fast genauso gut stehen beide nicht mobilen Lebensformen da. Im Mittelfeld rangieren die Fernbeziehungen, die Variomobilen und, mit Abstrichen, die Wochenendpendler (...)

   (...) Eindeutig die Verlierer sind die Fernpendler, die sich trotz der täglichen Rückkehr von ihrem Partner und der Familie entfremden. Man geht, wenn die anderen noch schlafen und kommt, wenn die anderen bereits im Bett sind (...)

* Das ausführliche Interview mit Prof. Dr. Schneider, das Mensch & Büro im Heft Nr. 2/2001 veröffentlichte, ist interessante Information und spannende Lektüre

Begriffe und Definitionen: Was sind Nichtmobile, was Mobile?

Zu den Begriffen des modernen Nomadentums aus der Studie zur beruflichen Mobilität einige Erklärungen aus gleicher Quelle:

Nichtmobile: Ortsfeste, Geburtsort = Wohnort. Jede Mobilitätsanforderung wird zurückgewiesen.

Mobile: Umzugswillige Paare und Familien mit gemeinsamem Haushalt, der bei beruflicher Anforderung an einen neuen Standort verlagert wird

Fernpendler: Nimmt täglich lange Anfahrtswege zur Arbeit in Kauf, um den gemeinsamen Wohnort behalten zu können

Variomobile: Mindestens einer der Partner ist an wechselnden Berufsorten tätig und lebt in Hotels oder Gemeinschaftsunterkünften

Shuttle-Beziehungen: Paare, die sich dafür entscheiden, einen Zweithaushalt zu gründen, der arbeitsbezogen genutzt wird. An Wochenenden teilen sich die Paare den gemeinsamen Haupthaushalt

Fernbeziehungen: Jeder der Partner verfügt über einen eigenen Haushalt. Die gemeinsame Zeit wird mal am einen, mal am anderen Ort oder irgendwo dazwischen verbracht.

Zurück in die Zukunft: Telearbeit - Konjunkturverlauf eines Phänomens und Hoffnungsträgers

Gastbeitrag von Beate Schulz


Es ist still geworden um die Telearbeit. Die noch bis Ende der 1990er Jahre mit unterschiedlichen Konnotationen vernehmbare Aufregung um diese Arbeitsform scheint nüchternem Pragmatismus gewichen zu sein. Dabei war der Begriff "Telearbeit" in seiner nun bald 30-jährigen Karriere stets mit den unterschiedlichen Hoffnungen, Visionen und Befürchtungen aufgeladen. Bemerkenswert daran ist, dass die öffentliche Diskussion um die Telearbeit zu den Zeiten am heftigsten tobte, als es faktisch kaum noch Telearbeitsplätze gab. Heute, wo Deutschland mit einem Anteil von sechs Prozent Telearbeitern an den Erwerbstätigen endlich auch den europäischen Durchschnitt erreicht hat und EU-weit sogar die höchsten Wachstumsraten aufweist (3), redet kaum noch jemand von Telearbeit. Das ist kein Zufall.
   Ein kurzer Rückblick verdeutlicht den Bedeutungswandel der Telearbeit und ihre Indienstnahme durch die unterschiedlichsten Interessensgruppen. Alles begann mit dem in den USA entwickelten und maßgeblich von den Pionieren Jack Nilles und Alvin Toffler propagierten Konzept des "Telecommuting" (zu deutsch: "Telependeln"). Nach dem Schock der Ölkrise von 1973 erhoffte man sich von der Telearbeit vor allem verkehrsentlastende und Energie einsparende Effekte durch die Reduktion von Pendlerströmen - Argumente, die zeitlich versetzt auch von den hiesigen Befürwortern der Telearbeit adaptiert wurden. Wie wir heute allerdings wissen, ist es mit den ökologischen Wirkungen der Telearbeit nie weit her gewesen: Den theoretischen Einsparungen stand der vermehrte Einsatz von PCs und anderem elektronischen Gerät, ein erhöhter Raumbedarf durch Doppelarbeitsplätze und nicht zuletzt ein insgesamt erhöhtes Aktivitätsniveau einer mobilen und technikgetriebenen Gesellschaft gegenüber.
   Nach Deutschland schwappte die Telearbeitsdiskussion erst in den 1980er Jahren. Im Unterschied zu derjenigen in den USA konzentrierte sie sich auf die Chancen, vor allem aber auf Risiken der Sonderform "Teleheimarbeit". Zweifelsohne gab es bereits Teleheimarbeit, z  B. im Druckereigewerbe, und die damaligen Beschäftigungsverhältnisse waren tatsächlich prekär und wenig sozialverträglich. Jedoch stand ihre geringe Zahl in keinem Verhältnis zu der Zahl an Wissenschaftlern und Journalisten, die sich mit dem Thema zu dieser Zeit mit großem Getöse widmeten. Auch wenn sich die anfangs sehr optimistischen Erwartungen hinsichtlich der Verbreitung von Telearbeit spätestens zu Beginn der 1990er Jahre als um den Faktor tausend zu hoch erwiesen - 1990 arbeiteten nicht etwa zwei Millionen, sondern allenfalls 2000 Menschen an Teleheimarbeitsplätzen - so vollzog parallel dazu in den Unternehmen ein zunächst unspektakulär anmutender, dennoch machtvoller Wandel hin zu neuen Flexibilisierungs-, Produktions-, und Vertriebskonzepten. Begünstigt durch technischen Fortschritt und ein sich rapide veränderndes unternehmerisches Umfeld nahm die Zahl der IuK-gestützten (Informations- und Kommunikationstechnik) Arbeitsplätze deutlich zu. Die Folge war die Ausbreitung von vielfältigen Dezentralisierungsformen von Arbeit, sowohl innerhalb von Unternehmen als über ihre Grenzen hinaus. Die Teleheimarbeit erwies sich im Reigen dieser Möglichkeiten als nur eine von mindestens sieben damals identifizierten Formen der elektronischen Fernarbeit, die bis hin zur Verlagerung von Aufgaben auf Fremdfirmen (Outsourcing) oder gar Kunden (Kundenselbstbedienung) reichte. (4)
   Das Feld wurde also zunehmend unübersichtlicher. Davon zeugt eine Vielzahl von wissenschaftlichen Studien aus den 1990er Jahren, die mit Begriffen wie "inner- und überbetrieblicher Vernetzung" und "Telekooperation" überschrieben waren oder sich mit speziellen Tele-X-Aspekten beschäftigten, z. B. inwieweit Videokonferenzen Dienstreisen überflüssig machen.
   Die höchste Verbreitung von allen Telearbeitsformen und zugleich breiteste Zustimmung erreichte bald die "alternierende" Telearbeit im Angestelltenverhältnis, die abwechselnd in der Zentrale, zu Hause und unterwegs praktiziert wurde. Sie kam den Flexibilitäts- und Produktivitätsanforderungen der Unternehmen entgegen, beugte den Isolationsängsten der Beschäftigten vor und beruhigte auch die Gewerkschaften in Bezug auf die Wahrung von Arbeitnehmerschutzrechten. Ein Durchbruch schien erzielt, als IBM 1992 mit seiner Betriebsvereinbarung zu außerbetrieblichen Arbeitsstätten musterhaft vorführte, dass sich die Telarbeit, die sich bislang in einer arbeits- und datenschutzrechtlichen Grauzone bewegte, auch formal regeln und absichern ließ. Einige große Unternehmen wie die Deutsche Telekom, BMW und einige Versicherungen folgten dem Beispiel des Computerkonzerns, starteten Pilotvorhaben und schlossen Tarifverträge und Betriebsvereinbarungen ab. Doch so recht wollte die Telearbeit noch immer keine Massenbewegung werden. Besonders schwer taten (und tun sich bis heute) die kleinen und mittleren Unternehmen mit ihr.
   Daran änderten auch die vielen Zeitschriftenartikel und Fernsehbeiträge nichts, die Frauen im Wohnzimmer am Computer und zu ihren Füßen ein artig spielendes Kleinkind zeigten. Manch einer Mutter ermöglichte die Telearbeit zwar, immer einen Fuß im Beruf zu behalten. Ein emanzipatorisches Glanzstück für die Arbeitswelt war die Telearbeit dennoch nicht: Nach wie vor sind mehr als Dreiviertel der Telearbeiter in Deutschland Männer und gute Betreuungsangebote für Kindern so rar wie eh und je.
   Ab Mitte der 1990er Jahre wurde die Telarbeit abermals entdeckt, diesmal von der Politik, die sich von ihr einen Ausweg aus der Krise auf dem Arbeitsmarkt erhoffte. Die Bundesregierung und auch zahlreiche Bundesländer starteten Telearbeitsinitiativen und legten Förderprogramme auf ("Initiative Telearbeit der Bundesregierung", "Telearbeit im Mittelstand" ...). Eine Fülle von Handbüchern und Leitfäden zur Einführung von Telearbeit (z. B. "Telearbeit - ein Leitfaden für die Praxis" von BMW, BMWI und BMBF) erschienen und wieder versammelte sich die Schar der Telearbeitsforscher vor den Fördertöpfen und prognostizierte rosige Zeiten und neue Jobs dank Telearbeit. Zwar wurden in den meisten Studien immer dieselben Modellbetriebe und Pilotanwender zitiert (die sich ab einem bestimmten Punkt völlig zu Recht gegen ihre eigene "Überforschung" verwahrten). Die Zahlen zur Verbreitung von Telearbeit verzeichneten dennoch von Studie zu Studie einen wundersamen Anstieg, der allerdings zu einem nicht unerheblichen Teil auf die sukzessive Erweiterung der Telearbeitsdefinition zurückzuführen war. Bald galt jeder Journalist mit Laptop und Modem, Lehrer mit Internet-Anschluss und Außendienstmitarbeiter mit Handy und Heim-PC als Telearbeiter - häufig ohne sich dessen überhaupt bewusst zu sein.
   Wieso die Umwandlung traditioneller Arbeitsplätze in Telearbeitsplätze ein Job-Motor sein soll, erscheint bis heute rätselhaft, handelt es sich bei der Telearbeit doch allenfalls um eine Verlagerung, nicht aber Neuschaffung von Arbeit. Zur Unterstreichung der ansonsten kaum begründeten Arbeitsmarktthese wurde zwar eine Schätzung der Elektroindustrie (5) (ZVEI) bemüht, die 20 000 neue Arbeitsplätze in der deutschen Zulieferindustrie für zusätzliche PCs etc. voraussagte. Konkrete Belege dafür blieben aber bislang aus. Immerhin: Neuere Prognosen der Wirtschaftswissenschaftler (6) sprechen - in der optimistischen Variante - immerhin von einem Nettogewinn von zusätzlichen 750 000 Arbbeitsplätzen durch die IuK-Industrie insgesamt. Der Anteil, den die Telearbeit daran haben könnte, ist kaum zu ermitteln. Unstrittig ist, dass die Entwicklung hin zu wissensbasierter Ökonomie in vollem Gange ist. Besonders die sekundären Dienstleistungen wie "Forschung und Entwicklung", "Organisation und Management" und "Beraten, Betreuen, Lehren und Publizieren" gelten als Hoffnungsträger der Beschäftigungsentwicklung (7) - sämtlich Bereiche, die hochgradig telearbeitsfähig sind und heute schon weitgehend räumlich und zeitlich flexibilisiert sind. Auch die Möglichkeit, sich "im Netz" selbstständig zu machen, haben sich spürbar erweitert (8). Allerdings begünstigt die Entwicklung auch die Auflösung von Normalarbeitsverhältnissen zugunsten von ungesicherten E-Lancer-Existenzen.
   Wo geht die Reise hin? Im Prinzip ist der Begriff der Telearbeit längst zum Anachronismus geworden. "Telearbeit" bedeutet Arbeit "fern" der angestammten Betriebsstätte oder Firmenzentrale als räumlich und organisatorisch klar abgrenzbare Einheit. Der Terminus impliziert also ein Gegenüber, das den Normalfall darstellt, während die Telearbeit die Abweichung von der Norm ist. Gewiss, der klassische Arbeitnehmer wird nicht so schnell aussterben und es werden sich auch nicht alle Menschen zu Jobnomaden entwickeln. Jedoch ist unübersehbar, dass Unternehmen heute immer fraktaler, virtueller und globaler werden. Arbeit findet zunehmend in temporären, projektbezogen zusammengesetzten und räumlich verteilten Teams selbstständiger Arbeitskraftunternehmer statt. Mehr als jeder zweite Bundesbürger verfügt inzwischen über ein Handy und mehr als 20 Millionen sind online. Vor diesem Hintergrund hat die Realität die tradierte Sichtweise von Telearbeit längst überholt. So ist es auch kein Zufall, dass der letzte große Status Report der EU zum Thema nicht mit "Telework" sondern "eWork2000" betitelt ist (9).
   Telearbeit war der Korridor, durch den wir lange Zeit in die Zukunft der Arbeit geblickt haben. Mittlerweile sind wir in dieser Zukunft angekommen, und das ist noch lange nicht das Ende.

Beate Schulz arbeitet als Zukunftsforscherin und Projektleiterin bei der Unternehmensberatung "Z_punkt Büro für Zukunftsgestaltung". Seit über zehn Jahren beschäftigt sie sich wissenschaftlich u. a. mit den Themen "Zukunft der Arbeit" und "Telearbeit". Als Mutter von zwei Kindern und Mitarbeiterin eines standortverteilten Unternehmens konnte sie darüber hinaus eigene, überwiegend positive, Erfahrungen mit Telearbeit sammeln.

KAPITEL ZWEI

Netzwirtschaft in der Praxis

Da ist sie nun endlich, die Technik, die uns ein grenzenloses miteinander Wirtschaften ermöglicht, und was passiert? Es bleibt bei den Gewohnheiten der traditionellen Ökonomie, und die neuen Herausforderungen durch die Technik werden von deutschen Top-Managern nicht selten als eine Mehrbelastung betrachtet. Was nichts bringt unterm Strich oder gar eine zusätzliche Anstrengung bedeutet, das wird genau dort, wo es erforderlich wäre - bei den Entscheidungsträgern - eliminiert und gegebenenfalls delegiert.

Für Wissensarbeiter ist der noch immer währende Dornröschenschlaf der alten Giganten die beste Chance sich aufzumachen und durch die Vernetzung mit Partnern ein wenig Bewegung in die starren Strukturen zu bringen. Allerdings: Die alte Wirtschaft jetzt schon endgültig wach küssen zu wollen, wäre einfach zu früh. Die neuen Selbstständigen müssen noch einiges vorlegen und korrigieren, bis nicht mehr von Alter und Neuer Ökonomie gesprochen werden wird. Darüber kann auch der aktuell verwendete Begriff der Real Economy nicht hinwegtäuschen. Der nämlich ist nur ein Tarnmäntelchen dafür, alte Methoden zu verbergen.

Zur Einführung in die Welt der Webworker - häufig gestellte Fragen und Antworten

Was sind Webworker?

Webworker gehen nicht mehr zur Arbeit. Sie holen sich entlohnte Arbeiten dorthin, wo sie gerade sind: ins Büro, nach Hause, ins Hotelzimmer, nur gelegentlich (im Unterschied zum Bild, das die Fernsehwerbung vermittelt) auch in den Strandkorb am Meer. An welchem physischen Ort sich der Webworker befindet, ist nebensächlich. Alles, was zählt, ist das Ergebnis seiner Arbeit. Und das muss stimmen, denn Webworker sind Unternehmer, die auch "die neuen Selbstständigen im Netz" genannt werden. Als Selbstständige schulden sie ihren Auftraggebern - im Unterschied zu abhängig beschäftigten Telearbeitern - nicht nur die Arbeitsleistung, sondern den Erfolg ihrer Arbeit.

Warum wird man Webworker?

In unterschiedlicher Gewichtung spielen meist die gleichen Motive eine Rolle. Vorrangige Gründe, die überhaupt dazu führen, "in die eigene Tasche zu wirtschaften", sind: Freiheitsdrang, Unabhängigkeit, Selbstbestimmung, Eigenverantwortung, eventuell bessere Verdienstchancen. Da gibt es keinen weitreichenden Unterschied zwischen Existenzgründen.
   Beeinflusst und/oder begünstigt wird die Entscheidung, ein Webworker zu werden, vom persönlichen Umfeld, häufig von familiären Konstellationen, oft aber sind es auch individuelle Charaktereigenschaften des Webworkers wie beispielsweise die Vorliebe für Abgeschiedenheit zum konzentrierten Arbeiten, oder auch die Möglichkeit, Nähe und Distanz sowohl individuellen als auch berufsbezogenen Erfordernissen sehr flexibel anzupassen.

Wer zählt zu den neuen Selbstständigen im Netz?

In der Mehrzahl sind unter Webworkern Berufsbilder vertreten, in denen es schon immer einen hohen Anteil an Selbstständigen gab: Berater, Juristen, Übersetzer, Autoren, Redakteure, Designer, Anwendungsentwickler, Programmierer, Planer, Marktforscher ..., um nur einige davon zu nennen.
   Mit den neuen Informations- und Kommunikationstechnologien, vor allem dem Internet, haben sich besonders im Dienstleistungssektor neue Berufe und Betätigungsfelder entwickelt, die sich zum Teil noch in der Grundstufe dessen, was möglich ist, befinden. Andere, schon ältere Berufe wie der des technischen Zeichners, des Konstrukteurs oder auch des Verkäufers erfahren durch die modernen elektronischen Instrumente eine grundlegende Veränderung. Das Wissensarbeit vielfach nicht an bestimmte Orte gebunden ist, wird es in der Zukunft unter den Webworkern eine Konzentration auf Dienstleister aller Art geben, die ihre Leistung mit Hilfe des Internets anbieten und vertreiben.

Welcher Typ Mensch kann Webworker werden?

Jeder, der in der Lage ist, auf ständige persönliche Kontakte mit Kollegen oder Auftraggebern zu verzichten und sich gerne an einen Ort zurückzieht, an dem er unter den für ihn besten Bedingungen die beste Leistung erbringen kann.

Was muss ein Webworker an weiteren Grundvoraussetzungen mitbringen?

Neben der Kompetenz in seinem Fachgebiet benötigt ein Webworker eine Affinität zur modernen Technik sowie die Bereitschaft und das Können, die meisten der auftretenden Probleme ohne fremde Hilfe in den Griff zu bekommen.
   Eine der wesentlichsten Fähigkeiten, die ein Webworker mitbringen muss, ist das Denken in Bildern und das "Übersetzen" von erlebter Emotion zur Weitervermittlung an Dritte unter Einsatz elektronischer Medien (z. B. beim schriftlichen Briefing von Projektpartnern, die am Gespräch mit dem Auftraggeber nicht teilgenommen haben).

Wie viele Webworker gibt es in Deutschland?

Das lässt sich nicht genau sagen. Hier sind die Zahlen ebenso unterschiedlich wie bei den Telearbeitern. Eine Ursache für die fehlenden exakten Zahlen könnte darin liegen, dass Webworker als Unternehmer noch nicht ausreichend in den amtlichen Erhebungen berücksichtigt werden, weil sie selten angestellte Mitarbeiter beschäftigen und schwer in eine der gängigen Unternehmenskategorien einzuordnen sind.

Wie unterscheidet sich ein Webworker-Unternehmen von einem klassischen Unternehmen?

Der am deutlichsten erkennbare Unterschied liegt im Fehlen äußerer Merkmale, an Hand derer sich ein klassisches Unternehmen auf Anhieb als solches zu erkennen gibt: Büro- oder Fabrikgebäude mit Angestellten oder Arbeitern und Firmenschild. Der Webworker betreibt seine Geschäfte vom heimischen Büro aus oder auch an wechselnden Orten. Seine real existierende Firma präsentiert er dort, wo ihn potenziell alle Auftraggeber und Projektpartner von überall erreichen: unter einer Domain im Internet. Das Internet ist für den Webworker nicht mehr und nicht weniger als ein idealer Standort, der von keinen physikalischen Grenzen umgeben ist. Der Vorteil für den Webworker liegt darin, dass er durch das Internet - seinen virtuellen Unternehmensstandort - seine berufsbezogene "Heimat" nicht verlassen muss und bei einem realen Ortswechsel wenig Aufwand im Zusammenhang mit den Anpassungen der so genannten Corporate Identiy hat. Generell betrachtet wirtschaftet ein Webworker-Unternehmen quasi permanent auf Sparflamme; die fixen Kosten sind verhältnismäßig gering, der Ertrag dementsprechend vergleichsweise hoch. Abhängig Beschäftigte werden durch Unternehmenspartnerschaften ersetzt, die ein Höchstmaß an Wissenszusammenführung für ein konkretes Projekt ermöglichen. Administrative Arbeiten werden im Webworker-Office meist vom "Chef" selbst erledigt.

Stimmt es, dass Webworker ihren Firmensitz nur im Internet haben und eigentlich Briefkastenfirmen sind?

Das ist falsch! Richtig ist, dass Webworker ihren Firmensitz oder ihre freiberufliche Tätigkeit meist formal an dem Ort anmelden, an dem sie ihren Wohnsitz angemeldet haben. Webworker sind keine obdachlosen Unternehmer, die dann und wann Post aus dem Postschließfach holen. Das Internet, weil es eben nicht der gewohnten sicht- und greifbaren Realität entspricht, wird von den deutschen Behörden als amtlicher und einziger Firmenstandort nicht akzeptiert.

Stimmt es, dass Webworker weniger Steuern zahlen als klassische Unternehmen, weil sie ihr Büro nicht in einem ausgewiesenen Gewerbegebiet haben?

Webworker, die nicht zu den Freiberuflern oder Kleinstgewerbetreibenden zählen, werden von den Finanzbehörden nicht anders behandelt als klassische Unternehmen. Die TWG beispielsweise, die als GmbH in Frankfurt registriert ist, zahlt den ortsüblichen Gewerbesteuerhebesatz, unabhängig davon, ob sich die Geschäftsräume in einer privaten Immobilie befinden oder nicht. Sparen kann der Webworker, indem er seinen Standort z. B. in einer kleinen Gemeinde anmeldet. Außerhalb der Ballungszentren wird dem Gewerbetreibenden weniger an Steuerbelastung zugemutet.

Stimmt es, dass Webworker internetsüchtig sind und zudem an sozialer Verarmung leiden?

Das ist beides falsch! Richtig ist, dass Webworker Lebens- und Arbeitsformen praktizieren, die ihnen die Pflege ihrer sozialen Kontakte insofern erleichtern, da sich das Beziehungsnetzwerk auf Freundschaften und Kontakte ausdehnen lässt, die über kollegiale Kontakte am Arbeitsplatz hinausgehen. Das Internet sehr intensiv zur Kontaktpflege und Informationsbeschaffung zu nutzen, kann nicht als Sucht bezeichnet werden.

Stimmt es, dass viele Webworker scheinselbstständig sind?

Das ist falsch, wenn die Scheinselbstständigkeit daran festgemacht wird, dass Webworker in der Regel nur einen begrenzten Kundenstamm bedienen können. Es kann also vorkommen, dass ein Webworker nur für ein oder zwei Unternehmen arbeitet, und gelegentlich ist darunter auch die Firma, die vorher Arbeitgeber und nun Auftraggeber ist.

Warum schließen sich Webworker zu Netzwerken zusammen?

Aus den eigenen Kernkompetenzen und mit eingeschränkten Ressourcen lässt sich kein attraktives Angebot im Sinne von qualitativ hochwertigem Rundum-Service gestalten. Die zusätzlichen Kompetenzen, die eigene Wissenslücken schließen oder fehlende Ressourcen ersetzen, werden von Fall zu Fall zugekauft. Damit werden aus Stand alone-Lösungen echte, individuelle Gesamtlösungen höchster Güte.
   Webworker oder kleinere Unternehmen, die überregional oder gar international arbeiten, vernetzen sich mit Partnern, die ihren Standort in der Nähe des Kunden haben. Dadurch lassen sich besser lokale kulturelle Besonderheiten berücksichtigen und eine persönliche Kundenbetreuung gewährleisten, auf die kein Webworker bzw. kein Unternehmen trotz Technik verzichten kann.

Wie schnell geht es, ein Unternehmensnetzwerk zu gründen?

Prinzipiell ist zu sagen, dass ein Beziehungs- oder Partner-Netzwerk nichts ist, was im Hinblick auf den dauerhaften Erfolg in Nullkommanichts aufgebaut ist. Webworker oder kleine Unternehmen, die sich in einem Netzwerk zusammenschließen, verfolgen damit meist strategische Ziele, das heißt, sie streben eine längere Zusammenarbeit mit einem Kern aus gleichbleibenden Partnern an. Und da gibt es einiges, was im Vorfeld zu beachten und sorgfältig geplant sein will. Das eigentliche, sprich formale Gründen einer Gesellschaft, kann sehr schnell vonstatten gehen.

Was ist der Unterschied zwischen einem Netzwerk und einem virtuellen Unternehmen?

Bei einem virtuellen Unternehmen handelt es sich um den Zusammenschluss einzelner Unternehmen für die Dauer eines gemeinsamen Projektes. Nach Beendigung des Projektes löst sich das "Unternehmen auf Zeit" wieder auf. Beim nächsten Projekt bildet sich im Extremfall ein völlig neues Unternehmen auf Zeit. Es ist jedoch nicht ausgeschlossen, dass im virtuellen Unternehmen wiederholt mit bestimmten Experten/Unternehmen zusammengearbeitet wird.

Wie muss man sich das Entstehen eines virtuellen Unternehmens vorstellen?

Meistens stellt ein Webworker/ein einzelnes Unternehmen den Erstkontakt mit einem Kunden her und akquiriert einen Auftrag, zu dessen Ausführung er neben seinen eigenen Kernkompetenzen weiteres Wissen und/oder ergänzende Ressourcen braucht. Der Webworker erfasst zunächst die gestellte Aufgabe in ihrer Gesamtheit und zerlegt sie in Einzelaufgaben, um zu erkennen, was er selbst an Leistungen erbringen kann und welche Leistungen er extern beschaffen muss.
   Unter günstigen Umständen hat der Webworker ein ausgedehntes persönliches Netzwerk oder er weiß von der Existenz der für das geplante Projekt in Frage kommenden Partnerunternehmen. Die möglichen Partner werden dann in der Regel über E-Mail oder Telefon kontaktiert, und das auszuführende Projekt sowie die Teilaufgabe des potenziellen Partners wird beschrieben. Zu den Teilleistungen holt der Webworker, der das Unternehmen auf Zeit ins Leben ruft, von den angefragten Partnern ein Angebot ein und entwirft aus den gesammelten Informationen ein Gesamtkonzept für den Kunden.
   Je nach Organisationsform übernimmt der Webworker dann den Gesamtauftrag und die Partner fungieren als Subunternehmer für das Projekt, oder jeder Partner rechnet seine Leistungen direkt mit dem Kunden ab. In der Regel übernimmt derjenige, der den Erstkontakt mit dem Kunden und den Auftrag akquiriert hatte, auch das Projektmanagement.

Stimmt es, dass sich Partner in virtuellen Unternehmen nicht persönlich kennen?

Das ist eher die Ausnahme und nur dann der Fall, wenn die räumliche Distanz ein persönliches Kennenlernen nicht ermöglicht. Dass es während der gesamten Laufzeit eines Projektes zu keinem persönlichen Treffen kommt, ist selten, es kommt aber vor, dass dies nicht immer zu Beginn einer Zusammenarbeit stattfindet, sondern dann, wenn es das Projekt erfordert.

Stimmt es, dass in virtuellen Unternehmen die Zusammenarbeit ohne vertragliche Vereinbarungen allein auf Vertrauen basiert?

Ja und Nein. Richtig ist, dass es Rahmenvereinbarungen gibt, in denen die grundlegenden Regeln der Zusammenarbeit definiert sind. In einigen Kooperationen werden diese Regeln im Sinne eines "Ehrenkodex" nicht schriftlich fixiert, in anderen dagegen gibt es klare, schriftliche Vereinbarungen und Verträge. Das ist abhängig von der Gesellschaftsform und den Risiken, die in der Arbeitsgemeinschaft entstehen können, ebenso vom Charakter der Webworker, den Erfahrungen untereinander, dem Auftragsvolumen und der Branche.
   Richtig ist auch, dass das Vertrauen - wie in allen Beziehungen, in denen sich gewisse Abhängigkeiten ergeben - eine große Rolle spielt. Beim Webworking jedoch ist eine gewisse Überbetonung des Vertrauens zu erkennen. Und zwar deshalb, weil mit der Betonung auf Vertrauen Mängel in der Organisation und vertraglichen Absicherung ausgeglichen werden sollen.

Welche Rechtsform sind für ein virtuelles Unternehmen geeignet?

Im Grunde ist keine der gültigen und gängigen Rechtsformen für das Unternehmen auf Zeit optimal, weil entweder das Gründungsprocedere, beispielsweise bei einer Kapitalgesellschaft, zu lange dauert und zu aufwändig ist, oder in einer Gesellschaft des bürgerlichen Rechts (BGB-Gesellschaft) die Risiken für die einzelnen Partner zu hoch sind. Eine Empfehlung für die am besten geeignete Rechtsform kann nur nach sorgfältiger Abwägung der Chancen und Risiken geschehen, die in einem Projekt erkennbar sind.
   Grundsätzlich gibt es zwei Ausgangssituationen:
   1. Eine Firma wird Vertragspartner des Kunden. Notwendige Zusatzleistungen kauf sie selbst bei anderen Firmen zu. Bei diesen Firmen handelt es sich dann um Zulieferer (Subunternehmer). Rechtsbeziehungen zwischen den Zulieferern und dem Kunden bestehen nicht.
   Die Rechtsbeziehungen zwischen der Firma und den Zulieferern richten sich nach dem Typ des Vertrages, der zwischen der Firma und den Zulieferern abgeschlossen wird. In der Regel wird es sich um einen Kauf-, Dienst- oder Werkvertrag handeln. Beim Dienstvertrag schuldet der Zulieferer nur eine Tätigkeit, beim Werkvertrag schuldet er ein bestimmtes Ergebnis. Nur die Firma ist Vertragspartner des Kunden. Ihm gegenüber ist sie auch für die Tätigkeit der Zulieferer verantwortlich.
   2. Dem Kunden tritt eine Gesellschaft gegenüber. Diese Gesellschaft ist eine Firma. Sie besteht aus dem Zusammenschluss natürlicher oder juristischer Personen. Grundlegend für das Verhältnis der Gesellschafter untereinander ist der Gesellschaftsvertrag. Er sollte immer schriftlich abgefasst sein (dies gilt auch für alle anderen Vereinbarungen der Partner untereinander, auch wenn die Schriftform nicht vorgeschrieben ist. Das dient der Klarheit und ist für Beweiszwecke nützlich. Denn die maßgeblichen Regelungen sollten wenigstens bekannt sein, wenn ein Partner plötzlich ausfällt).
   Durch den Vertrag kann die Rechtsbeziehung nach außen, gegenüber dem Kunden, durch Regelungen der Gesellschafter untereinander nicht beeinflusst werden. So haften z. B. die Gesellschafter einer GbR oder einer OHG dem Kunden mit ihrem gesamten Privatvermögen. Das kann im Gesellschaftsvertrag nicht abgedungen werden. Das wäre dann ein Vertrag zulasten Dritter, den es nicht gibt. (10)

Was ist ein Net-Manager?

Ein Net-Manager hat ähnliche Funktionen wie ein Regisseur beim Film, der die Rollen besetzt und darauf achtet, dass das Drehbuch eingehalten wird. Der Net-Manager kann gleichzeitig als Teil eines Projektteams Leistungen erbringen, als Projektleiter das Team zusammenstellen und die Abläufe koordinieren sowie dem Kunden und dem Team als zentraler Ansprechpartner zur Verfügung stehen. Ein Net-Manager muss aber nicht selbst konkrete Arbeitsleistungen für das Projekt erbringen, sondern kann auch nur die Koordinations- und Organisationsfunktion übernehmen.

Welche Qualifikationen muss ein Net-Manager oder der Manager eines Unternehmens auf Zeit haben?

Ein Net-Manager muss vor allem über ausgeprägte kommunikative. organisatorische und soziale Fähigkeiten verfügen und in der Lage sein, den Partnern, die nicht im persönlichen Kontakt mit dem Kunden stehen, ein "ganzes Bild" vom auftraggebenden Unternehmen und den Menschen dort zu vermitteln, also nicht nur die reine Sachinformation zum geplanten Projekt. Das Partner-Briefing über die Distanz stellt eine große Anforderung dar, weil es sowohl eine sachlich-präzise als auch emotionale Ausdrucksstärke (Schriftsprache) erfordert.
   Neben den genannten "Soft Skills", die sich unter dem Begriff "emotionale Intelligenz" zusammenfassen lassen, muss der Net-Manager ein breites Grundwissen über all das besitzen, was in den Kernkompetenzbereich von Partnerunternehmen fällt, weil er derjenige ist, der eine Gesamtaufgabe erfassen und in Teilaufgaben splitten können muss. Und natürlich gehört auch eine ausgeprägte Medien- und IT-Komptenz dazu.
   Die Anforderungen an die "Manager der Zukunft", wie Net-Manager auch genannt werden, sind als so hoch eingestuft worden, dass es in Italien bereits einen eigenen zweijährigen Studiengang zum "Master of Network Economy" gibt, der vor allem die sozialen Kompetenzen lehren soll, derer es für ein erfolgreiches Networking bedarf.

Webworker arbeiten mitten im Leben - und schaffen sich doch eine eigene Welt

In diesem Kapitel geht es darum, Ihre Aufmerksamkeit auf mögliche Probleme zu lenken, die sich im Zusammenhang mit der Einrichtung Ihres Webworker-Office in Ihrem sozialen Umfeld ergeben können, also mit dem realen Standort Ihres Unternehmens. Denn ob Sie ein erfolgreicher Webworker werden, liegt nicht allein an Ihnen. Bereiten Sie sich und Ihre Umgebung gut auf das vor, was auf Sie zukommen kann.

Der erste Schritt: Besinnung und Vorbereitung

Was kommt als Webworker alles auf Sie zu? Und wie können potenzielle Probleme vermieden werden? Schön wäre es, wenn wir zur Beantwortung der Frage, was alles auf uns zukommen kann, aus der zweidimensionalen Wahrnehmung unserer Sinne aussteigen und uns eine 3D-Brille aufsetzen könnten, die uns das virtuelle Denken erleichtern würde. Einen sicheren Blick in die Zukunft könnten wir gewiss auch damit nicht gewinnen, wir könnten jedoch besser abschätzen, was in welcher Geschwindigkeit und aus welcher Richtung auf uns zukommt.
   Wir müssen uns also bei der Entwicklung von Chancen- und Risikomodellen auf die Gegenwart und die Vergangenheit stützen, Zusammenhänge herstellen und sie mit allem verknüpfen, was Einfluss auf unsere Ziele (und damit den Weg dorthin) nehmen kann. So wenig es möglich ist, mit Verträgen und Vereinbarungen jegliches Restrisiko bei der Unternehmensgründung auszuschließen, so wenig ist es möglich, alle Aspekte bei der Wahl eines Unternehmensstandorts zu berücksichtigen.
   Haben Sie einige Blatt Papier und Bleistift zur Hand? Legen Sie das Buch kurz aus der Hand und beschaffen Sie sich diese Dinge. Sie können dann Ihre Gedanken, die sich beim Weiterlesen ergeben, sofort notieren und sich eine Skizze Ihrer Umgebung machen, in der Sie fortan Ihrer unternehmerischen Tätigkeit nachgehen wollen/werden.

Eigene Vorstellungen und was die Umgebung daraus macht

Im Gegensatz zu den Zeiten, in denen Sie frühmorgens aus dem Haus zum externen Arbeitsplatz gingen und dort die meiste Zeit Ihres Tages verbrachten, spielt sich Ihr Leben nun zu weiten Teilen in den eigenen vier Wänden ab - falls Sie wie die meisten Webworker beschlossen haben, zu Hause zu arbeiten. Ich klammere jetzt bewusst Phasen aus, in denen Sie Termine außerhalb wahrnehmen (die folgenden Ausführungen sind vor allem für Webworker relevant, die in Gebieten mit überschaubaren sozialen Kontakten leben, also im ländlichen Raum und weniger in Großstädten, in denen es meist anonymer zugeht).
   Wie ein Erwerbsloser sind Sie nicht nur Ihren unmittelbaren Lebensgefährten mehr oder weniger ständig vor Augen, sondern auch Ihren Nachbarn (und umgekehrt!). Sie können zu Zeiten einkaufen gehen, zu denen das eigentlich nur Hausfrauen, Senioren oder Arbeitslose tun können. Man spricht Sie an, geht davon aus, dass Sie Urlaub haben --- oder möglicherweise arbeitslos geworden sind? Würden Sie das eine oder andere bestätigen, befänden Sie sich schnell in einem kleinen Dialog, der problemlos funktionierte.
   Wenn Sie jedoch fröhlich entgegnen, dass Sie sich selbstständig gemacht haben und ab sofort von zu Hause aus arbeiten, können Sie davon ausgehen, dass sich der Gesprächspartner verwundert fragt: "Wie gibts denn da - ein Unternehmer, der freie Zeit hat, um zehr Uhr morgens einkaufen zu gehen? Dann kann das Geschäft ja wohl nicht so doll laufen." Oder Ihr Gegenüber geht wie selbstverständlich davon aus, dass sich in der Zeit, während Sie Einkäufe erledigen, eine andere Person um das Geschäftliche kümmern wird.
   Zeichnen Sie sich ein erstes Bild. Im Zentrum des Geschehens: Ihr Zuhause. Wer lebt da? Wer geht da ein und aus? Welche Menschen sind in Ihrer nächsten Nähe angesiedelt: Nachbarn, Freunde, Verwandte, Bekannte? Was tun diese Menschen, wo arbeiten sie, was wissen Sie über deren Wertvorstellungen? Schreiben Sie alles auf, was Ihnen in den Sinn kommt, alles, was Sie bisher wahrgenommen haben, ohne es als positiv oder negativ zu bewerten.
   Ergänzen Sie das Bild um Kontaktpunkte wie die örtliche Post, den Lebensmittelladen etc. und überlegen Sie, welche Menschen Sie dort treffen werden, ob Ihnen der Gedanke angenehm oder unangenehm ist, falls Sie dort auf Ihre Arbeit zu Hause angesprochen werden.
   Sie müssen sich, um bei den Menschen in Ihrem Bild ein Verständnis für Ihre Arbeit zu erlangen, quasi bei jeder Begegnung wieder präsentieren. So, wie Sie das bei einem Kunden tun, den Sie akquirieren wollen. Den Kunden zu gewinnen, hat einen konkreten Nutzen: Ihren Lebensunterhalt zu verdienen. Bei privaten Kontakten geht es um rein zwischenmenschliche Beziehungen und Eingliederung in eine völlig andere Welt. Das private Leben.
   Und so tappen Sie in der privaten Kommunikation nicht selten in Fettnäpfchen. Es kann passieren, dass Sie andere kränken, wenn Sie andeuten, es sei nicht so leicht zu verstehen, was Sie tun (dabei kommt sich der Gesprächspartner intellektuell erniedrigt vor). Es kann aber auch Sie kränken, wenn Ihr Gesprächspartner früh abbricht, weil es ihm doch alles ein wenig zu kompliziert ist (dann sind Sie der "Verlierer", weil es Ihnen nicht gelungen zu sein scheint, klar zu machen, was Ihre Arbeit ist). In solchen Momenten wünschen Sie sich vermutlich, eine dieser festgelegten Berufsbezeichnungen verwenden zu können, die allgemein bekannt sind.

Präsentation im privaten Bereich

Überlegen Sie, ob Sie mit einem Brief an die Nachbarn, den Bürgermeister usw. mitteilen wollen, dass Sie ab sofort Ihrer selbstständigen Tätigkeit an Ihrem Wohnort nachkommen. Sie können hier mit den gleichen Mitteln arbeiten, wie Sie das bei der Akquise Ihrer Kunden tun: Anschreiben, beigefügte Info-Mappe. Mit der schriftlichen Vorabinformation über das, was Sie tun und warum Sie es tun, geben Sie Ihrem sozialen Umfeld Zeit, sich darauf einzustellen und Ihnen nicht unvorbereitet zu begegnen. Potenzielle Fettnäpfchen werden aus dem Weg geräumt.
Nebeneffekt: Auch Ihre Familie kann mit Ihren Ausführungen arbeiten und den Umgang mit Fragen lernen, die an sie gerichtet werden und damit zeigen, dass sie hinter Ihnen steht und einverstanden ist (das Ausfragen der Familienmitglieder geschieht sehr häufig!).

 

Das ist aber noch nicht alles, worauf Sie vorbereitet sein müssen:
   Sie müssen mit dem Widerwillen Ihrer Mitmenschen gegen Ihr Wirken als Webworker rechnen. Denn Sie verkörpern die Freiheit in Person.
   Unabhänderlich wecken Sie als jemand, der nicht zur Arbeit gehen muss, Sehnsüchte bei vielen Menschen, die stärker in Regeln und Normen des Arbeitslebens gefangen sind und nicht selbst bestimmen können, wann, wie, wo und für wen sie ihre Leistung erbringen. Es wird kaum einen Unternehmer geben, dem nicht schon mal von irgendeiner Seite Neid entgegengebracht wurde.
   Sie, als Webworker, der nicht einmal in Aussicht stellt, dass es in seinem Unternehmen Arbeitsplätze für Mitarbeiter geben wird, werden möglicherweise dafür Schelte in Kauf nehmen müssen, weil dies anderen unsozial erscheinen mag. Von einem Unternehmer, von dem man selbstverständlich annimmt, dass er es zu größerem Wohlstand bringen kann als ein abhängig beschäftigter Mitarbeiter, wird in der Regel erwartet, dass er lokal denkt und auf die Arbeitskraft ortsansässiger Menschen zurückgreift.
   Nehmen Sie Ihr Bild zur Hand.
   Gibt es in Ihrer Gemeinde weitere Selbstständige, die ihr Büro im Wohnraum haben (Architekten, Ärzte, Steuerberater o. ä.)? Tragen Sie diese in den Standortplan ein und merken Sie sich die Namen dieser Menschen gut. Denn diese Menschen genießen in einer Gemeinde meist einen hohen Bekanntheitsgrad und es genügt im Zweifel, auf deren Erwerbsarbeit, die ebenfalls im heimischen Umfeld stattfindet, beispielhaft hinzuweisen und vielleicht zu ergänzen, dass über das Internet genauso auch die Zusammenarbeit mit räumlich entfernten Partnern möglich ist.
   Werfen Sie dann noch einmal einen Blick auf die Menschen, denen Sie immer wieder begegnen werden und überlegen Sie, unter welchen Bedingungen diese Menschen arbeiten (Schichtarbeit, Kurzarbeit, Büroarbeit, weite Anfahrtswege, geringer Verdienst, wenig Perspektiven, körperliche Anstrengung ...). Wenn Sie diesen Menschen mit Respekt begegnen und sich überlegen, welche Arbeiten Sie einkaufen müssen, weil Sie - der Wissensarbeiter im Internet - beispielsweise nie im Leben eine Sanitärarmatur oder ähnliches austauschen könnten, dann bescheiden Sie sich in Ihrem Auftreten diesen Menschen gegenüber. Lassen Sie Ihren Nachbarn solche Tätigkeiten in Ihrem Haus verrichten, wenn Sie sie einkaufen müssen. Sobald Sie für solche Jobs Firmen aus der nächsten Gemeinde anheuern, werden Sie definitiv aus der lokalen Gemeinschaft ausgeschlossen. Diese Reaktion haben Sie ganz alleine zu verantworten. Darüber hinaus würde der Nachbar außerdem nie von sich behaupten, eine Sache für Sie erledigen zu können, wenn er vor Ort feststellt, dass er es doch nicht kann.

Wen brauchen, wen ge-brauchen und wen miss-brauchen Sie auf Ihrem Weg ins Glück?

Kaum jemand fragt danach, welchen Anteil das persönliche Netzwerk (Familie, Freunde, Bekannte, Verwandte, Mediatoren etc.) am Erfolg eines Menschen hat. Der Beifall für erbrachte Leistungen gehört meist dem, der das Unternehmen repräsentiert. Das ist vergleichbar mit einem Solisten im Orchester, dem als Person gedankt wird, während die übrigen Musiker lediglich als Team geehrt werden.
   Natürlich wird bei öffentlichen Anlässen diesen Mitmenschen gedankt. Das ist auch zweifelsohne ein aufrichtiger Dank, der die Leistungen anderer heben mag, gleichwohl: Er stellt keine Gleichheit her zwischen dem, der auf der Bühne gewürdigt wird und dem, der daneben steht. Es wird dem, der eine Auszeichnung entgegennimmt, immer ein Quäntchen mehr Leistung zugeschrieben als den Leuten, die ein "Projekt mitgetragen" haben. Das ist in einem Unternehmen nicht anders als auf dem gesellschaftlichen Parkett, auf dem wir uns bewegen. Dieser Realität muss man sich besonders dann stellen, je mehr sich der eigene Erfolg auf den Schultern anderern aufbaut.
   Um das nächste Bild Ihres Beziehungsnetzwerks zu zeichnen, müssen Sie sorgfältig differenzieren, wen Sie für Ihren Erfolg mitverantwortlich machen wollen. Das heißt, wer gebraucht und wer womöglich von Ihnen missbraucht wird. Besetzen Sie dabei diese beiden Begriffe nicht negativ! Der Begriff missbrauchen ist so zu verstehen, dass Sie überprüfen müssen, ob die Gefahr besteht, jemanden mit der Rolle, die Sie ihm zuweisen, über Gebühr zu belasten.
   ► Unter gebrauchen tragen Sie die Menschen ein, von denen Sie konkrete Unterstützung beim Aufbau Ihres Unternehmens/Networks erwarten können und solche, die Sie benötigen, um bestimmte Leistungen erbringen zu können (Partner, Kontaktpersonen ...)
   ► Mit brauchen sind alle die Sozialpartner gemeint, bei denen Sie Halt finden, also geistige und seelische Unterstützung

Gruppenerfolge: Drohender Verlust der Identität und der individuellen Freiheit

Jedes Wesen im Blickpunkt des Interessens wirft einen Schatten. Rücken wir näher zusammen, entsteht daraus eine Schnittmenge, und je enger wir zusammenrücken und sich das Licht, das auf uns fällt, auf einen Punkt konzentriert, umso weniger lassen sich die Grenzen der Individuen definieren. Es wird diffus, alles verschwimmt, und die Ein- bzw. Wertschätzung, wer ich welchem Maß wofür die Verantwortung trägt, wird für Außenstehende immer schwieriger.
    Nun werden heute Teamarbeit und Hierachiefreiheit sehr groß geschrieben. Durch die arbeitsteilige Situation vermag der einzelne Akteur keinen besonderen Anspruch auf seinen Teil des Ergebnisses zu erheben. Getreu dem Motto: Wer die Arbeit teilt, muss auch bereit sein, den Erfolg zu teilen (Win-Win-Prinzip). Das ist einfacher gesagt, als die richtige Einstellung dazu gefunden ist.
   Nehmen wir als Beispiel ein Ereignis wie die "Oskar"-Verleihung. Obgleich jedem bewusst ist, dass es sich bei einem größeren Filmprojekt immer um eine Teamarbeit handeln muss, werden - um den persönlichen Einsatz Einzelner hervorzuheben - Kategorien definiert: bestes Drehbuch, bester Regisseur, bester Musiker, bester Schauspieler ... Keiner der Preisträger wird seine Auszeichnung entgegennehmen, ohne irgend jemandem für seine Unterstützung zu danken und sei es am Ende Gott. Immer wieder ist in solchen Momenten von Dankbarkeit zu hören, die Möglichkeit gehabt zu haben, unter optimalen Bedingungen zu arbeiten. Das sei letztlich entscheidend für die eigene Leistung und den Gesamterfolg gewesen.
   Was passiert mit Ihnen, wenn Sie als Webworker und Teil einer Kooperationsgemeinschaft multiple Begabungen entfalten und die Arbeitsteilung im Team festgezurrt ist? Arbeitet ein Mensch, der die Gabe hat, sehr schnell neues Wissen - auch aus anderen Disziplinen - generieren zu können, immerzu im gleichen Team oder denselben Kooperationen, gerät er alsbald in ein Dilemma, das umso größer wird, je stärker die Arbeitsteilung festgelegt ist und jedes Interesse an einem anderen Fachgebiet als Kompetenzgerangel empfunden wird. Wenn ein solcher Mensch, der einfach nur weiterlernen will und sich für mehr als sein Fachgebiet interessiert, nicht die Möglichkeit hat, Einzelaufgaben zu erledigen, wird er krank. Weil er sich innerhalb einer interdisziplinären Projektarbeit mit seinem Wesen in größerer Abhängigkeit des Teams befindet als der hoch spezialisierte Kollege. Der will nämlich nicht mehr dazu lernen, sondern nur sein Herrschaftswissen weiter ausbauen.
   Wo es von anderen Teammitgliedern abhängt, ob neue Maßstäbe an Qualität und Erfolg angelegt werden, wird es für einen von Natur aus neugierigen und wissbegierigen Menschen immer schwieriger, mit dem Gesamtergebnis zufrieden zu sein. Warum ist das so? Weil das "Genie" in relativ kurzer Zeit Arbeiten von spezialisierten Kollegen/Partnern übernehmen könnte und in der Lage ist, deren Arbeiten einzuschätzen. Er wird in den Augen der anderen zum ungebetenen Kontrolleur ihrer Arbeit. Der Frust wird auf allen Seiten immer größer, weil der Lernende den gemeinschaftlich getroffenen Vereinbarungen zugestimmt hatte, bevor neues Wissen ihn zu Veränderungen bewegte.
    Ein solch Geplagter muss entscheiden, ob er diesem Team weiter angehören möchte, ein neues Team sucht bzw. bildet oder ob er ganz darauf verzichtet, dauerhaft in festen Teams (über mehrere Projekte hinweg) zu wirken. Leicht ist eine solche Entscheidung nicht, weil ein Ausstieg unweigerlich als persönliche Kritik an den verbleibenden Teammitgliedern verstanden wird.

Nehmen Sie nun wieder Ihre Aufzeichnungen zur Hand: Schreiben Sie auf, was Sie von Ihren privaten und beruflichen Teams erwarten und was Sie mit Ihrem Wesen möglicherweise bei denen auslösen, die mit Ihnen auskommen sollen.
   Halten Sie spontan fest, was Ihnen in einer privaten und einer beruflichen Beziehung am wichtigsten ist. Beziehen Sie dabei Ihre Einstellungen zu Kunden, Partnerschaften sowie Ihre Art zu kommunizieren mit ein.
   Hinterfragen Sie, ob Sie nicht mehr von anderen erwarten, als Sie selbst in der Lage sind zu geben und umgekehrt. Und bedenken Sie stets, welche Veränderungen in Ihrem privaten Umfeld Einfluss auf getroffene Vereinbarungen mit Geschäftspartnern nehmen.

Wie lässt sich Frustration aufgrund unterschiedlicher Wertvorstellungen einzelner Teammitglieder oder Netzwerkpartner vermeiden?

► Indem man festlegt, für welchen Zeitraum gemeinschaftliche Vereinbarungen ihre Gültigkeit für alle haben, analog der Festlegung der Gültigkeit definierter Preise

► Indem weiterhin festgelegt wird, wie die Diskussion um die Festlegung neuer Wertmaßstäbe geführt wird und ob eine solche Diskussion auch zustande kommt, wenn lediglich ein Einzelner nach Veränderungen strebt

► Indem Sie den Menschen, mit denen Sie längerfristig arbeiten wollen, von vornherein sagen, was Sie von sich wissen und bei anderen voraussetzen

 

Was Wissen mit uns und aus uns macht

In der Welt der immateriellen Güter, im Handel und beim Bündeln von Wissen, passiert Seltsames. Es gesellt sich zum wachsenden Wissen die Einbildung, andere beherrschen zu können, die dieses Wissen (noch) nicht haben. Das verschafft dem Wissenden die Macht, die Wahl zu treffen, wem er was zu welchem Zeitpunkt weitergibt. Er sieht seinen Vorsprung kontinuierlich wachsen und kalkuliert unmerklich dabei das Risiko des Verlustes, wenn er sein Individualwissen zu Organisationswissen macht.
   Was tut dieser (Un-)Wissende? Er gluckt und brütet darüber, auf dass sich sein Wissen wundersam vermehre, statt den Vorteil in der Wertsteigerung zu erkennen, die in dem Moment erfolgt, indem er es freigibt. Eigentlich logisch, denn was nützt einem Einzelnen sein Wissen, wenn er nie erfährt, ob es anderen Menschen nützt? Spannend ist doch allein das Resultat der Anwendung und Umsetzung von Wissen.
   Verstanden, worum es in der Zukunft der Wirtschaft und der Gesellschaft gehen wird - das geistige Eigentum zu teilen - haben bislang nur diejenigen, die sich in "Open Source-Gemeinschaften" oder Forschungsgruppen zusammenschließen, deren Ziel es ist, Produkte und Lösungen zu entwickeln, in die alles vorhandene Wissen einfließt. Ohne dass im Nachhinein für den Konsumenten noch erkennbar ist, welcher Gedanke zum Ergebnis geführt hat!
   Es ist dieselbe innere Einstellung, die ein Ghostwriter haben muss, der beispielsweise per Auftrag einen Bestseller geschrieben hat, jedoch niemals selbst Lob dafür von außen erhalten wird. Die Zufriedenheit mit seiner Arbeit kann er nur dann empfinden, wenn er zu den Bescheidenen und Selbstlosen gehört, die sich nicht gerne im Mittelpunkt des öffentlichen Interesses sehen. Auch das ist eine Art der Arbeitsteilung, mit der es sich gut leben lässt - wenn man der entsprechend Typ Mensch ist. Die einen agieren im Verborgenen, die anderen (re)präsentieren (verkaufen) sich und ihre Leistung.

Will die Gesellschaft überleben, muss jeder Einzelne lernen, das, was er ist und was er kann, nicht so wichtig zu nehmen, es also nicht unter und nicht über zu bewerten. Es genügt nicht, Hierarchien rein äußerlich abzubauen; es ist ein Prozess, der in sich selbst beginnen muss.

 

Nehmen Sie sich an dieser Stelle ein Extra-Blatt zur Hand und betiteln Sie es mit WISSEN IST MACHT. Es geht dabei um die Selbsteinschätzung der Macht Ihres Wissens - und was diese Macht bei Ihnen und anderen zu bewirken vermag.

1. Schritt
Teilen Sie zunächst Ihr Wissen in Kategorien ein, z. B. diese:
Absolut einzigartig = alles, wovon Sie überzeugt sind, dass niemand außer Ihnen über dieses Wissen verfügen kann
Mit Sicherheit äußerst rar = alles, wovon Sie glauben oder wissen, dass nur eine kleine Zahl von Menschen (max. 3-5) über das gleiche Wissen verfügen können wie Sie selbst
Mit Sicherheit verkäuflich = alles, wovon Sie glauben oder wissen, das es Menschen gibt, die darauf warten (oder angewiesen sind), dass Sie ihnen (z. B. Teamkollegen) Ihr Wissen weitergeben oder die die Weitergabe Ihres Wissens mit Geld oder anderweitig honorieren (z. B. Kunden)
Mit Sicherheit nützlich = alles, wovon Sie glauben oder wissen, es würde Sie voranbringen, wenn Sie Ihr Wissen gegen anderes eintauschten (z. B. Win-Win-Situation mit Partnern)
Streng vertraulich = alles Wissen, z. B. über sich selbst, Ihre Arbeitspraktiken etc., von dem Sie auf keinen Fall wollen, dass je ein anderer Mensch davon erfährt
Entbehrlich = alles, was Sie ohne innere Überwindung an andere weitergeben können, weil es Ihnen nicht besonders wertvoll erscheint oder weil Sie glauben oder wissen, jemandem damit weiterhelfen zu können (Tipps, Ratschläge, Kontakte, Erfahrungen ...)

2. Schritt